Wie ich die Schlacht in der Reithalle bewerte

Der «Poller»-Kolumnist Markus Dütschler kann nicht kochen. Trotzdem hat er in einem Kitchen Battle in der Reitschule den Experten gespielt.


Heute muss ich Sie unsäglich enttäuschen. Besonders jene, die gerne die Rubrik Aufgetischt lesen und dort an meinen kulinarischen Streifzügen teilhaben. Also, jetzt kommts: Ich kann nicht besonders gut kochen. O.k., mehr als warmes Wasser kriege ich schon hin. Ich könnte gut eine Woche allein zu Hause verweilen und würde nicht verhungern. Es gäbe immer etwas Warmes, das mir schmeckt. Aber wenn Besuch kommt, und dies erst noch am Sonntag, trete ich bescheiden zurück. Das können andere besser.

Trotzdem wurde ich kürzlich zum Mitglied in eine Gastrojury bestellt. Der Anlass heisst Kitchen Battle und fand in der Grossen Halle der Berner Reitschule statt. Da ich nicht jedes Wochenende dort verbringe, barg allein schon diese Lokalität für mich einen Reiz. Zwei Kochmannschaften traten in dieser Küchenschlacht gegeneinander an, und an langen Bänken sass viel Publikum, das ebenfalls begutachtete, was die Teams an Gängen zum Verzehr schickten. Sie alle hatten Eintritt bezahlt, aber sie bekamen auch etwas dafür: Amuse-bouche, Vorspeise, Hauptgang und Dessert – und dies gleich doppelt. So konnte man vergleichen.

Der Gag bestand darin, dass ein obligatorischer Warenkorb vorlag, der vollständig verwertet werden musste. Wenn da etwa ein Kürbis zu verarbeiten war, hiess es zu überlegen, ob man daraus eine Suppe kochen, eine Gemüsebeilage zubereiten könnte – oder ein Dessert. Das eine Team tat Letzteres. Ich fand das toll und tat dies am Mikrofon wortreich kund. Wozu holen die sich schliesslich Experten ins Haus?

Der Anlass folgt einem lang anhaltenden Trend. Essen ist in. Gastronomie ist sexy. Kulinarik ist Allgemeingut. Aufstrebende Punkte-Köche werden gehandelt wie Fussballhelden. Auf allen Fernsehsendern wird gekocht bis zum Abwinken. Es sieht immer kinderleicht aus und gelingt immer. Da wird gedünstet, gebraten und blanchiert, geschnetzelt und gehackt. Und die Welt schaut zu, vom Sofa aus, mit einer Tüte Chips oder Popcorn in der Hand. Das ist das Verblüffende. Eigentlich sollten inzwischen alle super gut kochen können, weil sie so oft zugeschaut haben. Doch das trifft nicht zu. Nach der Sendung gehen die Leute mit angeregten Magennerven in die Küche, schneiden einen Beutel mit Convenience-Ravioli auf und giessen eine Bolognese-Sauce aus dem Tetrapack darüber. Immerhin ist der geriebene Parmesan einigermassen frisch.

Eine Zeitlang wurde dieser Widerspruch auf die Spitze getrieben. Da gab es doch tatsächlich Tomatensauce-Zubereitungen im Glas, kreiert von keinem Geringeren als Jamie Oliver. Ein Fertigprodukt vom englischen Star-TV-Koch, der doch die britische Unterschicht ermutigte, selber zum Kochlöffel zu greifen, weil schmackhaftes gesundes Essen keine Hexerei sei. Man ahnt es: Schon bald prangte auf den Gläsern im Supermarkt der 50-Prozent-Ramsch-Kleber. Manche Widersprüche sind derart gross, dass sie einfach unüberwindbar sind.

Der «Bund»-Redaktor gewärtigt, nie mehr in eine Jury bestellt zu werden – ist aber für einschlägige Angebote weiterhin offen.

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