Vom Wiesel und dem wirtschaftlichen Kollaps

Wissen Sie, was Ihre Aufmerksamkeit bedeutend schneller an diese Stelle gelenkt hätte als dieser Text? Ein Bild von einem Tier, das dem gesellschaftlichen Verständnis von Niedlichkeit entspricht. Aus intellektueller Eitelkeit werden Sie das eventuell abstreiten, doch im Grunde wissen Sie so gut wie ich, dass Sie tief in Ihrem Inneren eine drollige Ablichtung animalischer Körper jeglicher Aneinanderreihung von Buchstaben vorziehen. Schweizer Medien haben dies natürlich längst erkannt, weshalb die auflagenstärkste Zeitung im Land an manchen Tagen mehr Tierkalender als Newsquelle ist. Tiere erzeugen also Aufmerksamkeit. Für mich ist das eine wichtige Information. Denn traditionsgemäss besteht der Hauptteil der Arbeit eines Kolumnisten daraus, narzisstisch zu sein. Deshalb ist alles, was Aufsehen erregt, willkommenes Material, um diese Zeilen zu füllen. Folglich ist die heutige «Poller»-Ausgabe unseren animalischen Freunden gewidmet.
Jedoch verwehren es mir die Qualitätsansprüche dieser Zeitung an dieser Stelle, eine Bildergalerie mit beispielsweise knuffigen Katzen zu kuratieren. Und weil Qualitätsansprüche unweigerlich mit mühseliger Arbeit verknüpft sind, sehe ich mich nun gezwungen, eine Brücke zum eigentlichen Thema zu schlagen, die dem bildungsbürgerlichem Erwartungsdruck standhalten kann. Sie führt uns direkt in den Kampf um das Bürgermeisteramt New Yorks 1981. Der Amtsverteidiger und spätere Sieger Ed Koch sorgte dabei mit einer aussergewöhnlichen Idee für Aufsehen. Da in den späten 70er-Jahren Sprayer begannen, Beweise ihrer Existenz auf U-Bahn-Waggons zu hinterlassen, forderte Koch, dass Wagen, die nicht gerade im Einsatz stehen, von wilden Wölfen bewacht werden. Der bürgermeisterliche Einfall wurde zwar nie umgesetzt, die Idee von tierischen Wachposten hat jedoch längst den Atlantik überquert und ist im Kanton Bern angekommen.
Falls Ihre Aufmerksamkeit inzwischen merklich abgenommen haben sollte, weil die Tierdichte dieses Textes bisher eher gering ist, habe ich gute Nachrichten für Sie. Denn jetzt kommt das Wiesel ins Spiel. Dem gewieften Marder-Ableger wurde ein wichtiges Mandat in der schweizerischen Flugsicherheit zugeteilt. Bis Ende Jahr soll er am Militärflugplatz Meiringen angesiedelt werden, wie das örtliche Flugplatzkommando in einem Newsletter schreibt. Es ist wegen der Mäuse. Die stören zwar nicht den Flugverkehr, ziehen aber Greifvögel an, die sich aus Unachtsamkeit in Flugzeugturbinen verheddern können, was für die Tiere höchst unangenehm ist und der Armee Kosten aufbrummt. Das Wiesel soll künftig den Greifvögeln beim Mäuseessen zuvorkommen, damit diese das Interesse am Flugplatz verlieren und aufhören, die Lufthoheit über Meiringen infrage zu stellen.
Als besorgter Bürger stelle ich mir nun die Frage, was passiert, wenn alle Mäuse auf dem Militärflugplatz gegessen worden sind. Bis dahin dürfte dort eine grosse Wieselpopulation herangewachsen sein, die verzweifelt auf Nahrungssuche ist. Daher liegt es auf der Hand, dass sie es dem Fuchs gleichtut und in städtisches Gebiet vordringt. Und glauben Sie mir – ein Tier wie das Wiesel will man in Bern nicht. Es tötet oft mehr Tiere, als es essen kann, was jeglichem Nachhaltigkeitsgedanken widerspricht. Der ökologisch einzige folgerichtige Schritt wäre demnach, in Bern Eulen anzusiedeln, die im Zyklus der Natur dem Wiesel feindlich gesinnt sind. So könnte zwar die Wieselinvasion bekämpft werden, jedoch würden die Eulen wohl bald in einem blutigen Zweifrontenkrieg auch die Krähenhochburg in Berns Norden ausrotten, was zur Folge hat, dass von da an schlafraubende Eulenlaute durch die Nacht hallen, was sich auf die Leistungsfähigkeit der betroffenen Bevölkerungsteile auswirken wird. Dadurch schwindet die Berner Wirtschaftskraft, Firmen ziehen weg, Infrastruktur verlottert, der Militärflugplatz Meiringen muss geschlossen werden. Vielleicht wäre das Wiesel als Hingucker in der auflagenstärksten Zeitung besser aufgehoben.
Der «Bund»-Redaktor würde Tieren weder Stellen im Sicherheitsdienst noch in höheren Kaderpositionen anvertrauen.
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