Liebe Salt
Umziehen, also den Haushalt von A nach B verlegen, ist eine Tortur. Ein physischer und psychischer Saustress. Folter, Fegefeuer, ewige Hölle und Musical alles in einem.
Anfänglich geht man ja noch mit Euphorie zur Sache. «Auf in ein neues Leben, unnützer Ballast abwerfen, Marie Kondo ahoi!», denkt man. Ihnen sagt der Name Kondo nichts, werte Leserschaft? Marie Kondo ist Ordnungsberaterin. Die Japanerin hat nicht nur drei Bücher geschrieben, sondern erklärt auch in einer Netflix-Serie, wie Menschen kurz vor Messi (nein, nicht der Fussballer) Ordnung in ihr Puff zu Hause bringen können. Am Schluss sind immer alle ganz wahnsinnig glücklich in ihrem schönen neuen ordentlichen Heim und heulen vor Freude. Ist wirklich eine prima Serie, wenn das Hirn gerade auf halbmast dümpelt und möglichst dort bleiben soll. Zudem kann man sich auch ganz vorzüglich daran laben, wie Menschen beim Aussortieren hadern. «So schwierig ist das nun auch wieder nicht, du Nilpe, weg mit diesem hässlichen Shirt, ist eh eine optische Nahtoderfahrung», denkt man da etwa selbstgefällig auf dem Sofa. Falsch. Dachte. Vergangenheitsform. Weil eben: Die Feuz ist umgezogen und hat selber aussortieren müssen.
Sie glauben ja gar nicht, was man in der bodenlosen Tiefe von Einbauschränken so alles findet. Läckbobi. Ein Wunder lag dort nicht auch noch eine Granate aus dem Ersten Weltkrieg. Was soll nun mit ins neue Heim und was nicht? Marie Kondo sagt, dass man entscheiden solle, was man behalten wolle, indem man sich die Frage stelle, ob einen der Gegenstand glücklich mache, wenn man ihn in der Hand halte. Jedes Ding, das bleiben dürfe, solle dann seinen Platz zugewiesen bekommen, und alles müsse «richtig» verstaut werden. Nun gut. Der Anfang war einfach: Kartonschachtel von Salt. Macht die mich glücklich? Nö. Weg damit. Ein «Wildlife»-Brettspiel. Hm. Macht es mich glücklich? Nein, weil das Spiel ist unter aller Kanone. Angelehnt an Monopoly, reist man darin als Zoobesitzerin um die Welt und kauft Tiere für den eigenen Zoo ein. Andererseits ist es aber ein Zeitzeugnis der 80er-Jahre. Drum darf es bleiben. Wo? Ähem, Bananenkiste. Disco-Kugel. Macht die mich glücklich? Uh yeah, baby! Hat sie einen Platz? Bananenkiste. Kassetten von den «Drei Fragezeichen»? Eine Frankensteinfigur, die in der Nacht leuchtet? Ein «no title since 1987»-YB-Shirt? Ein Hunde-Stickbild? Eine Flamingo-Leuchtkette? Die Blockflöte aus der 1. Klasse? Ein Feuerwehr-Schlumpf? Eine Weihnachtskugel in Eichhörnchenform? Ein Konzertposter der Band «Fleischlego», deren Sänger den klingenden Namen Bdolf trägt? Das Geweih einer Gazelle, das einst in einem obskuren Laden in der Tschechischen Republik erworben wurde? Ein gefährlich dreinschauender Haifisch aus Gummi, der sehr ungefährlich quietscht, wenn man ihn auf den Bauch drückt? Alles irgendwie wichtig, drum alles in die Bananenkiste. Ein T-Shirt, dessen Muster einem eine optische Nahtoderfahrung beschert? Macht mich zwar mehr high als glücklich, aber da hats ein Nämeli drin, das damals die Mama reingenäht hat, damit man das Shirt im Skilager nicht vertauscht. Nostalgiewert, Bananenkiste. Heute näht ja niemand mehr Nämeli in die Kleider. Ausser die Mama von Hugo Boss.
Sie ahnen es, werte Leserschaft. In meiner schönen neuen Wohnung stapeln sich die Bananenkisten. Liebe Frau Kondo, Sie können mich mal. Und wenn wir schon dabei sind: Liebe Salt, ihr könnt mich auch gleich mal. Und zwar kreuzweise. Nein, man könne bei einem Umzug nicht einfach das Modem mitnehmen, sondern müsse den alten Vertrag künden (1. Warteschlaufe), einen neuen abschliessen (2. Warteschlaufe, weil andere Abteilung) und das alte Equipment vollständig zurückgeben. Nun gut. Frau Feuz zottelt also mit Modem, RJ45-Kabel und wie der ganze Seich heisst zur Filiale am Bärenplatz. «Prima, von der Technik ist alles da», sagte die nette Dame. «Bloss die Kartonschachtel fehlt, in der sie das Modem damals zugeschickt bekommen haben. Das macht dann 10 Franken.» Nein, kein Scherz. 10 Stutz für eine popelige Kartonschachtel. Genau so macht man Kunden hässig. Liebe Salt, ich wünsche euch, dass ihr in Bälde umziehen müsst, und zwar mit all euren Filialen gleichzeitig.
Aus dem Tal der Bananenkisten,
Frau Feuz
Gisela Feuz schreibt als freie Journalistin für den «Bund». Kritische Stimmen bemerkten, dass man jetzt dann langsam, aber sicher wisse, dass sie nicht mit dem Chef verwandt sei. Wir können Ihre Beschwerde allerdings nur entgegennehmen, wenn Sie das Körbchen vorweisen können, in dem Sie der Storch damals bei Ihren Eltern abgeliefert hat.
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