Sorry. Der Eintrag hier kommt spät. Die Ostergrippe. Eine Doppelwoche Fieberträume. Und dann in Berlin die re:publica.
Eigentlich geht es hier um ein altes Projekt: eines Tages das Gift wegzulassen und nur noch herzlich zu schreiben. Leider habe ich den Plan exakt ein einziges Mal umgesetzt, dort, wo ich ihn fasste. Das war vor zehn Jahren, in einem Nachruf auf Johnny Cash:
Der, der ich niemals sein werde
Wenn ich Johnny Cash höre, dann denke ich Folgendes: dass man ein korruptes Genre nehmen und etwas Persönliches daraus machen kann. Dass es darauf ankommt, irgendwann am Ende ganz einfach zu werden. Dass man Journalismus machen sollte, wie Cash singt: mit einer Bibel und einer Kanone. Dass Gott zwar die achtet, die arbeiten, aber die liebt, die singen. Dass man nicht lügen, stehlen, verletzen sollte. Dass es für dich keine Gnade gibt: Nichts rettet vor Krankheit, vor Angst und vor dem, was du all jenen angetan hast, die du liebst. Dass echte Würde darin besteht, der Leere ins Auge zu blicken. Dass es nicht um Klugheit, sondern um Demut geht. Dass auch du es eines Tages schaffen wirst, ohne Furcht zu leben, ohne Lüge und ohne Schnörkel. Amen.
Wenn ich Johnny Cash höre, bin ich der, der ich niemals sein werde.
Vielleicht ist Zeit, endlich damit vorwärtszumachen.
Böse sein
Das Problem dabei ist dasselbe wie in den meisten Berufen: Ein guter Charakter ist der Gegensatz zu einem guten Job.
Ich traf neulich eine Schulfreundin, die ein hohes Tier bei den Sozialdemokraten geworden war. Ich sagte: «Berufspolitikerin! Warum tust du dir das an?» Sie dachte kurz nach und sagte: «Ich kann Leute über den Tisch ziehen, ich kann Indiskretionen verbreiten, Fallen stellen, Dummköpfe im eigenen Lager ausbremsen, Gegner ärgern – und das alles, damit am Ende das Richtige passiert. Ich kann das Böse tun im Auftrag des Guten.»
Ich verstand sie sofort. Denn im Journalismus läuft es sehr ähnlich. All das, was an der eigenen Person widerwärtig ist – Verletzungen, Strebertum, Machtwillen, Unentschiedenheit, Ängste –, macht einen im Job zu einem besseren Menschen. Weil man mehr versteht und mehr will.
Ausgeglichene Leute haben in einer Zeitungsredaktion wenig verloren. Nur zwei Beispiele: Wer nicht schief in der Welt hängt, kriegt nie den Blick hin, der zählt: den von aussen. Und das Porträt von Schurken aller Art bleibt blass ohne nahe Verwandtschaft. Selten schreibt man überzeugender, als wenn man die eigenen Fehler bei anderen Leuten korrigiert. Der Job als Reporter braucht Schärfe; und die ist ohne innere Säure nicht zu haben. Selbst das Unschuldigste an unserem Beruf, die Neugier, ist undenkbar ohne die Grausamkeit des kindlichen Blicks.
Nur, das ist die eine Seite. Wie zuletzt in diesem Blog beschrieben, ist schlechte Laune im Journalismus inflationär geworden. Das steigende Tempo und das schrumpfende Personal führen dazu, dass kleine Skandale masslos ausgewalzt werden. Macht ein Politiker einen blöden Witz oder eine clevere Spesenrechnung, erscheint eine ganze Kaskade von Artikeln. Auf der Strecke bleiben dabei die grossen Skandale: etwa die Steuerreform, die Konzernen Milliarden schenkt. Deshalb, weil der grosse Skandal im Brei von kleinen untergeht. Einen Wachhund, der ständig bellt, nimmt niemand ernst.
Ausserdem ermüdet die tägliche Lieferung von Empörung wie der schimpfende Opa im Tram. Deshalb ist ein schlechter Charakter nicht mehr der Publikumsmagnet, der er einmal war. Schon aus dramaturgischen Gründen braucht es mehr Grossherzigkeit: etwa bei der Unterscheidung zwischen grossen und kleinen Fällen. Und zusätzlich braucht es Kontrast. Es wäre Zeit für eine neue Produktlinie: den Journalismus der Freundlichkeit.
Hinreissende Bücher
Freundlichkeit gehört für Journalisten nicht zum traditionellen Geschäft. Sie ist weitgehend unerforschtes Gebiet. Kein Wunder, fallen mir als Vorbilder kaum Artikel, sondern drei journalistische Bücher ein:
- Die «Curry Connection» von Bruno Ziauddin. Ein Buch, in dem der Sohn nach dem Tod seines indischen Vaters dorthin reist, wo er nie hinwollte: nach Indien. Und dort 5 Tanten und 34 Cousins kennenlernt.
- «Faszination Federer» von Dominique Eigenmann. Ein Essay eines nüchternen Menschen, der sich zu seiner Überraschung in die Perfektion eines Tennisspielers verliebt.
- «Der Zirkus» von Nils Minkmar. Das melancholische Porträt des chancenlosen, vermasselten, tapsigen und tapferen Wahlkampfs von Peer Steinbrück.
Die drei Bücher, alle geschrieben von abgefeimten Profijournalisten, haben eine Gemeinsamkeit. Ihre Autoren geraten in einen Strudel: die indische Verwandtschaft, das Auf und Ab eines ausgelieferten Fans, ein Jahr Wahlkampf. Es sind hinreissende Bücher, weil ihre Autoren hingerissen worden sind.
Freundlichkeit ist eine Funktion der Nähe; und wie eine Freundschaft ist sie ohne eine gemeinsame Reise nicht zu haben. Das im Gegensatz zur PR. Kuscheljournalismus ist das Gegenteil von nah. Man schiesst positive Adjektive mit Schrotflinte in einen Routine-Text. Es ist ein Job, so emotionslos wie ein Auftragsmord. Nur dass man statt mit Kugeln mit Mozartkugeln schiesst.
Das eigentliche Drama im freundlichen Journalismus ist das von Nähe und Distanz. Es sind fast ausnahmslos Texte von kühlen Menschen mit einem heissen Herz. Also von Menschen im Zwiespalt. Denn für einen Profi ist Pathos eine Peinlichkeit. Das zentrale Problem (und damit der zentrale Motor) dieser Art Text ist: Wie bringt man aufs Papier, dass man überwältigt wurde, ohne eins von beidem zu verraten – das Pathos und die Professionalität?
Es ist ein Genre für die wirklich guten Schreiber. Ziauddin etwa benutzt die alte Taktik der Selbstironie und dazu eine unglaubliche Variationsbreite in der Form. (Das Buch ist ein stilistischer Stunt – mit den verschiedenen Methoden, die es benutzt, um das wimmelnde Leben in Indien zu beschreiben, könnte man locker ein Jahr Journalistenschule füllen.)
Eigenmann dagegen verzichtet komplett auf Ironie und stellt sich dem Pathos der Liebe vor dem Fernseher. Er gewinnt so eine ziemlich raffinierte Doppelperspektive auf Federer: Als bedingungsloser Fan vor Bildschirm und Computer hat er gleichzeitig intimste Nähe und weite Distanz.
Minkmar beschreibt mit Peer Steinbrück jemanden, der vom Gros der Presse instinktiv verachtet wird: einen Spitzenpolitiker. Und einen Verlierer. Und er zeichnet ihn mit Respekt und Ernst. Selten wurde Politik so berührend beschrieben: in ihrer Kleinarbeit, ihrer Hilflosigkeit, ihrem harten, aufrichtigen Kampf, die Welt ein wenig vernünftiger zu machen.
Konstruktiver Journalismus
Ein grosszügiger Blick schafft oft verblüffende Erkenntnisse. (Das tut der misstrauische Blick zwar auch. Aber er ist heute so automatisiert, dass die Erkenntnisse oft abgegriffen sind. Ein Medienberater fragte etwa einmal, nach welchen Kriterien die deutsche «Tagesschau» ihre Nachrichten auswähle. Die Antwort: Es gibt keine, ausser: Es müssen schlechte Nachrichten sein.)
Anfang dieses Jahres entwarf der Chefredaktor des dänischen Rundfunks, Ulrik Haagerup, ein Gegenmodell: Constructive Journalism. (Das Buch erschien unpraktischerweise auf Dänisch.)
Haagerup plädiert für toughe Recherche, aber auch für ihre Ergänzung durch gute Nachrichten. Also aus Storys wie den folgenden:
- Das Gelungene. Das, was nicht schiefgeht, erfreulich ist und Erfolg hat.
- Das Nicht-Duell. Bei einem Duell tendieren die Kontrahenten schon aus Vorsicht dazu, bei ihren rhetorischen Standards zu bleiben. Das Gespräch gleicht einem rituellen Schwertkampf. Tatsächlich sind die Talkshows und Interviews fast immer interessanter, bei dem die Protagonisten sich im Grossen einig sind, aber dafür über Methoden, Stil, Chancen und eigene Schwächen reden.
- Die Alternativen. Der zentrale Satz des neoliberalen Zeitalters stammt von dessen Pionierin Margaret Thatcher: «There is no alternative.» Sie brauchte ihn als Begründung so oft, dass ihre Minister eine Abkürzung dafür erfanden: Tina. Mit Tina wurde seither alles begründet, was unangenehm ist: Privatisierungen, Fusionen, Entlassungen, Sparpolitik, Überwachung. Nun ist Tina der antipolitische (und antiunternehmerische) Satz par excellence: Er verneint, dass es Entscheidungen gibt, dass es Optionen gibt, dass es Verantwortliche gibt. Die Pflicht des Journalisten, so Haagerup, ist, jeweils die Alternativen zu recherchieren. Schon um den Lesern zu sagen: Es gibt die Wahl. Wir sind nicht ausgeliefert.
Was mir an Haagerups Idee gefällt, ist, dass sie subversiver ist als die mechanische Kritik. Erstens, weil Leser in einer Mischung aus Good News und Bad News auf eine unberechenbarere Achterbahn geschickt werden. Zweitens, weil Journalisten bei Klein-klein-Kritik schnell zu «Inspektoren im Dienst der herrschenden amtlichen und moralischen Normen» werden. (So Daniel Di Falco in einem brillanten Essay zu Empörungsjournalismus.) Und drittens, weil sie das Feld der Sensationen wesentlich erweitert.
Junge Murmeltiere
Eines der Dinge, die einen als Profi an der Gerechtigkeit der Welt zweifeln lassen, ist die Statistik, was auf Social Media geteilt wird. In Amerika liegt etwa die Kategorie «Good News» von «Huffington Post» ziemlich weit vorn. Und in Deutschland walzt die Billigseite Heftig.co in den Sharestatistiken auf Facebook gerade die grössten Newsseiten nieder: mit den süssesten Tieren, Kindern, Tests, Musikern und Alltagsüberraschungen.
Niedlichkeiten schlagen Nachrichten. Das ist schrecklich unfair. Oder doch nicht? Irgendwann, Anfang der Dreissigerjahre, versuchte Günther Anders, seine Freundin Hannah Arendt zum Besuch des Berliner Zoos zu überreden.
Er: Aber es wurden junge Murmeltiere geboren! Die können wir uns ansehen!
Sie: Ich interessiere mich nur für den Menschen.
Er: Murmeltiere sind auch kontingent! Sie sind auch nur einmal auf der Welt!
Sie: Vergiss es.
Es ist (hier grob aus dem Gedächtnis zitiert) der einzige Dialog, den Günther Anders zwischen sich und seiner späteren Ehefrau aufschrieb. Und deshalb wenig erstaunlich einer, in dem er natürlich recht hat. Denn von was handelt der Journalismus? Von der Welt und von Sensationen.
Doch die Sensationen, die die Presse bevorzugt bringt, sind stark reduziert: Etwas läuft krumm, jemand ist krumm. Das lässt viel weg. Liest man Heftig.co genauer, ist die Seite zwar unaktuell, zusammengeklaut, billig. Aber in einem Punkt ist sie sehr konsequent gemacht: Sie bedient die ganze Palette an Sensationen, die möglich ist. Etwa:
- Verblüffung: «Dieser einfache Test wird 98 Prozent aller Menschen ziemlich umhauen.»
- Bewunderung: «Dieser Mann kippt komisches Zeug über sein Auto. Später habe ich kapiert, warum… und wurde absolut neidisch.»
- Mitleid: «Als eine Schülerin zu einer Party fuhr, ahnte sie nicht, was sie erwartet. Als ich das Ende sah, musste ich weinen.»
- Rührung: «Diese französische Bulldogge will nicht ins Bett. Ihre Argumente sind umwerfend.»
- Witz: «Dieser Hund versucht so sehr, sich mit der Katze anzufreunden… Du wirst vom Stuhl fallen vor Lachen.»
- Blanke Neugier: «Ich schütte kochendes Wasser bei –41 Grad aus dem Fenster. Schau an, was passiert.»
- Den Schauer, den man beim Anblick schöner Dinge bekommt: «Ein Mann hat Fotos von einem Flugzeug aufgenommen. Was er gesehen hat, ist unglaublich.»
Zugegeben, ich mag den Stil dieser Überschriften nicht. Sie setzen so offen auf Manipulation, dass es einen beleidigt. Doch sie sind nicht ohne Wahrheit. Denn frisch geborene Murmeltiere, das Rätsel, das Gutgemachte, das ganze zeitlose Drama von Leid, Mut, Verblüffung gehören auf diese Welt, so wie korrupte Politiker.
Und da eine Zeitung, wenn sie Erfolg haben will, ebenfalls ein kleiner, kompletter Kosmos ist, gehören diese Dinge auch dort hinein. Die Augen auch danach offen zu halten, gehört zu unserem Beruf.
Erinnert mich an die stets freundlich getönten Rezensionen auch schlechter Bücher in DER FREUND damals. ausnahmslos jede Besprechung endete, selbst wenn zwischen den Zeilen verrissen wurde, mit dem Satz “Wir empfehlen von uneingeschränkt.”
Ups, da sind zwei Worte durch Einklammerung dem Codeverbot zum Opfer gefallen. Am Ende lautet es “Wir empfehlen … von … uneingeschränkt.”
Bei einem Schleuderkurs sagte mir der Instruktor: “Du fährst immer dahin, worauf du dich konzentrierst. Du wirst den einsamen Baum auf der Wiese treffen, falls Du deinen Blick darauf fixierst.” Ich denke, das ist auch im übertragenen Sinn wahr. Mit der Weltsicht, dass man das Schlechte anprangern soll, kann man es – paradoxerweise – effizient fördern. Es muss zwar klar sein, was wir nicht wollen. Wichtig scheint mir der Fokus auf Positives und Nachahmenswertes. Wir schrecken sonst die nicht-korrupten und echt sozialen von Verantwortung ab und haben dann eine Art selbsterfüllender Prophezeiung.
Ein guter Artikel, der genau aufzeigt weshalb ich für Inhalte von Schweizer Printmedien nicht zu bezahlen bereit bin. Irrelevantes, pseudoskandalöses, ersetzt immer mehr die wichtigen Themen die Recherche und differenzierte Berichterstattung erfodern. Hat die Redaktion des Bund (also des Tagi-Kopfblattes aus Bern) den schon gelesen?
“”Es gibt nichts Gutes, ausser man tut es” – Chacun à sa façon. Wie es ihm beliebt…
(Ob es nun von Erich Kâstner stammt, oder auch nicht).
Wenn die Leute mit der gleichen Energie Gutes tun würden, wie das Schlechte anzuprangern, ginge es allen viel besser. Reziprok : Manchmal ist es besser, nichts zu tun, um so Schlechtes zu vermeiden…
Es braucht weder Freundlichkeit noch reisserisches Misstrauen. Was einen guten Journalisten ausmacht, ist seine Integrität, und sein stilistisches Können beim Schreiben an sich. Integrität bedeutet, dass man Sätze aus einzelnen Interviews nicht aus dem Zusammenhang reisst, zum Beispiel, dass man Persönlichkeitsrechte schützt, soweit eben möglich. Dass man die Telefonleitungen von den Eltern eines Entführungsopfers nicht anzapft, dass man “sauber” arbeitet, Quellen überprüft.
Wenn Leute wieder auf die Integrität von Journis vertrauen, gibts auch mehr Geschichten. Sonst redet niemand mit euch.
Das ist Balsam für meine Seele, Herr Seibt. Herzlichen Dank, dass Sieso schreiben wie Sie schreiben und nicht aufhören damit.
Sorry, aber ich habe eine Krankenschwester in der Freizeit vor ihrem tot gerettet. Sie arbeitet bei der SRO – Emmental Oberaargau in Langenthal. Nicht einmal ein ,, merci,, oder ein Blumenstrauss. Nur weil sie mit ihrem Liebhaber da war und dieser nicht `s davon wissen wollte. Sie ist Mutter von einem Kind und Verheiraten wohnhaft in Wiedlisbach. Auch in der Armee habe ich offenbar Vorbildlich gehandelt und eine Lawinenkatastrophe verhindert ( 138 Personen), auch hier kein ,, Danke,, Die Journalisten haben offenbar mühe, wenn es Mitmenschen gibt die etwas mehr erleben.
In dem Fall, wenigstens: Danke für diesen Beitrag!
Fast 80, einst freier Journalist, begeistern Sie, Herr Seibt, mich von a bis z, der Beitrag verdient ein Dankeschoen. Viele Schreiber mit heisser Nadel, ganz dem irren Tempo der Gesellschaft angepasst, keine Zeit sich goennend fuer Innehalten, nachdenken, dabei vergessend welch schon bald brennende Fragen wie nicht zu stoppende Ueberalterung, die Unterbringung, Pflege, Kosten zu bewaeltigen ist, Noch kaum Thema fuer Politik und Journalismus. Mit den Ereignissen des Tages machen Verlage Geld, bezahlen nebenbei Journis die Geschichten liefern fuer Geldmaschine. Zukunft Thema wenn es brennt…
Eigentlich selbstverständlich, anderen Menschen auch im Journalismus zuerst Respekt entgegenzubringen. Gnadenlos bei den grossen Verfehlungen zu sein, kritisch bei den kleineren.
Empörung ist der Reflux der Emotion. Und Emotionalität ist die billigste Feder.
Nahezu jede Nachricht lässt sich doch positiv oder negativ wenden: Titelt die eine Zeitung: ‘Annexion der Krim bricht Völkerrecht’ (negativ), schreibt die andere: ‘Urrusische Erde endlich wieder daheim’ (positiv). Wobei, nach meiner Erfahrung, die positiven Nachrichten meist auch die verlogeneren sind, frei nach dem alten PR-Motto: ‘Tue Gutes und rede darüber …’. Alle ‘Grünen Blätter’ leben bspw. von positiven Berichten über ‘Promis’, die ansonsten doch völlig bedeutungslos wären. Was ist mit den schnuckeligen ‘Home-Stories’, die uns einen Politiker ‘näher bringen’ sollen?
Right. Ist natürlich schwierig, zwischen Freundlichkeit und Schleimerei zu unterscheiden. Besonders, da der Schleim den Wahrnehmungsapparat verklebt. Die professionellen Schleimer halten alle ihren Schleim irgendwann für echte Emotion. Und dann portraitieren sie Politiker barfuss auf ihrem Wohnzimmersofa, von Mensch zu Mensch.
Trotzdem glaub ich, lohnt sich das Experiment, die Palette zu erweitern. Grad, weil es riskant ist.
Den Hinweis auf die genannten Bücher finde ich wichtig. Wo darf man Berichtenswertes noch erleben und davon erzählen? Das Emotionale und Persönliche ist leider als unprofessionell verpönt, Journalismus verortet sich hier im wissenschaftlichen Milieu, meinetwegen auch Luhmann’schen “System”. Natürlich kann auch Faktenpriorisierung und -Reihung eine narrative Form darstellen; für einen packenden Bericht braucht man aber die “Sensationen” bzw. Emotionen, zudem Protagonisten, die sie rechtfertigen – Auf Seite des Gegenstandes und auf Seite der Journalisten. Aber besitzt Narration Nachrichtenwert?
Ich weiß nicht warum, aber seit etwa zwei Jahren wiederholen sich im meinem Kopf immer und immer wieder vier Worte: “Darum geht es nicht!” Als ich über den Text nachgedacht habe, wieder: “Darum geht es nicht.” Wenn ich nur wüsste, worum es geht. Jedenfalls hab ich das Gefühl, wenn ich den Blog hier lese, dass ich der Antwort manchmal ein kleines Stück näher komme.
Ich danke Ihnen für diesen Artikel (bei Johnny Cash hatte ich Augenwasser) – als junge Journalistin wurde mir mal eingetrichtert, ich dürfe bei einem Interview auf keinen Fall lachen, das wäre eine krasse Grenzüberschreitung. Ich bin trotzdem dabei geblieben, denn es hat vieles einfacher gemacht. Und wissen Sie was? – Nur so hab ich die richtig guten Geschichten gehört. Genau wie ich nicht jedem dahergelaufenen meine Geschichte erzähle, wird es mein Interviewpartner auch nicht mir-nichts-dir-nichts tun. Statt toughes pokerface hilft manchmal einfach nur ein gescheiter Witz for die gute Story
“Curry Connection”, S.24. “Ein halbnackter Mann humpelte über die Kreuzung. Seine Beine so dünn wie eingerollte Regenschirme.” Nice. Fast so schön die bankfilialgroße Schiffsschraube, if you know what I mean…..Texte, die du liebst oder feierst.
Die Lach- und Spassgesellschaft lebt. Leider ist ist sie am Verdummen. Es gibt sehr viele Jugendliche, die sehr motiviert, mit viel Ernst, Ambitionen, Interesse und Ausdauer in die Forschung einsteigen. Diese Jugendlichen werden unsere Zukunft bestimmen, kein Johnny Cash, der sich mit Alkohol und den Drogen umbrachte.
Danke fuer die Einsicht, dass auch “gute Neuigkeiten” wichtig sind! Das hat uebrigens schon der Robert Lemke gewusst, der pro schlechte Neuigkeit mindestens eine Gute forderte – um der falschen Empfindung entgegenzuwirken dass die Menschen boese seien!