Zu Anfang meiner Karriere hatte ich ein paar Mal Angst um sie.
Etwa, als ich in der «WoZ» mit der bösartigen Kolumne «Fragen Sie Familie Monster» anfing. Diese war dazu da, wöchentlich Politiker, Wirtschaftsführer, Prominente, aber auch Verleger, Konkurrenzkolumnisten und Chefredakteure durch ihren eigenen Quark zu ziehen.
Und dann, als ich dort nebenamtlich das Medienressort zugewiesen bekam. Da die «WoZ» die linke, unabhängige Zeitung im Land war, hiess das: Zum Loben war dieses Ressort nicht gedacht. Sondern um den Unfug aufzuschreiben, der in den Grossverlagen passierte. Aber in deren Blättern natürlich nicht beschrieben werden konnte.
Ich fürchtete mich, weil beide dieser Jobs darauf angelegt waren, nicht nur viele mögliche Interviewpartner gegen mich aufzubringen, sondern auch alle möglichen Arbeitgeber. Und ausser Schreiben hatte ich nichts gelernt.
Zu meiner Verblüffung passierte das Gegenteil. Zwar ärgerten sich einige mächtige Leute. Aber fast alle schlugen mir mal Monate, mal Jahre später komplizenhaft auf die Schulter. Ich entdeckte, dass es eine pure Frage der Arithmetik war: Sie ärgerten sich, wenn sie selbst das Thema waren. Aber freuten sich die nächsten 40 Mal, wenn jemand von der Konkurrenz Thema war.
Was ich anfangs als kühnes bis selbstmörderisches Punk-Unternehmen eingestuft hatte, entpuppte sich als Karrierebeschleuniger: Man kannte meinen Namen und man hielt mich für einen unbestechlichen Hund.
Serielle Frechheit war, wie ich ebenso erleichtert wie traurig feststellte, nichts als die geschicktere Form von Opportunismus.
Ich könnte diese Strategie – Satire, Zweihänder, Medienressort – jedem Berufsanfänger empfehlen. Wenn auch mit dem Zusatz, dass am Ende nicht der kühne Kerl, das taffe Mädchen mit der Haartolle in den Spiegel blickt, sondern ein Berufsmensch, an den sich alle gewöhnt haben. Es gibt keinen Ort ausserhalb der riesigen Maschine, die bedrucktes Papier zu neuem bedrucktem Papier verarbeitet.
PS: Hier noch eine kleine Kontroverse mit Pros & Cons zum Thema: http://medienkritik-schweiz.ch/2012/11/macht-nicht-alles-was-die-chefs-wollen/
Schön.
Erinnert mich an die Jahre als ich im Auftrag von der Wirtschaftszeitung “Cash” auf meiner “Gesehen”-Seite Prominente aus Wirtschaft und Politik benoten musste und ihre Reden unter die Lupe nahm.
Lieber Herr Seibt, auch wenn mein Name Ihr Programm beschreibt, möchte ich Ihnen für diesen und viele Artikel mehr herzlich danken. Sie haben in Ihrer Schreibe genau das, was z.B. den meisten engstirnigen Berufs- oder Hobbyschreiberlingen abgeht. Humor, Offenheit, Selbstkritik und nicht zuletzt Ehrlichkeit, die sich anschienend sonstige Verlage nicht leisten können oder wollen. Chapeau und einen wunderschönen Tag.
Zweimal “schön”, genauer einmal nur schön und vom Herrn Frech (dem ich den Namen neide!) noch ein “wunderschön”. Das wäre es eine Art 3-fach-Pleonasmus, wenn ich auch noch was Schönes zu Seibt’s Posting von mir geben würde. Also packe ich den unfreiwilligen Karrieristen bei den Hörnern, suche nach der Schleimspur, die den Opportunisten kenntlich macht, doch gerade sie fehlt. Zumindest auf den ersten Blick. Blick! Das führt zum Themenwechsel, zur Frage an den Hauptdarsteller hier: hat Sie der Blick so richtig durch die Mangel gezogen? Wenn nein, sind sie womöglich doch ein Opportunist…
Aber hallo, karriere machen indem man andern durch den Schlamm zieht. Karriere machen über den Rücken andern, und dies auch noch als eigenverdienst darstellen. Und dies stellt dann gute (linke WOZ) Journalismus da.
Ich wette der Schlamm wurde auch hin und wieder mal angedickt und extra dreckig dargestellt, da man sich ja bekanntlicherweisse immer steigern muss. Und dieses verhalten wird dann auch noch applaudiert. Tragische Welt der Selbstdarsteller…
Recht haben Sie, Marcel, und das Gewerbe ist schmutzig, ja. Aber anderseits ist es trotzdem das edelste Geschäft des Journalismus, im Schlamm zu wühlen: mal recherchiert, mal gedanklich, nüchtern oder komisch – das Geschäft heisst Kritik. Sauber bleibt da niemand, schon gar nicht der Kritiker. Doch – ein zweiter Einwand gegen Ihren Ekel – hat Frechheit auch eine befreiende Kraft. Sie zeigt, selbst noch im Trotzen eines kleinen Kinds, dass die Verhältnisse nicht so sein müssen, wie sie sind. Sie verweist durch ihr Nein auf den Reichtum der Welt.
womöglich scheiden sich die Geister genau an diesem Punkt: schweinehaft-lustvoll im Dreck zu scnüffeln und zu wühlen, um sich der wie Trüffel in diesem Schlamm verborgenen Wahrheit zu nähern, ist in der Tat eine Tugend der Journalistengilde. Mit diesem Dreck gezielt auf einzelne, als Zielscheibe auserkorene lebende Menschen zu schmeissen, ist allerdings eine andere Sache, und da stellt sich sofort die Frage nach dem Stil, weniger den des Journalisten als den des Blattes, für das er gegen gutes Geld seine Schreibe treffsicher abzuliefern hat. Ansonsten: Nein sagen ist (fast) immer gut.
Hmtja. Nein zu sagen ist was für Rechthaber. Jeder Apfel hat seinen Wurm – da liegt man fast immer richtig. Hand aufs Herz: Ja zu sagen macht doch mehr Spass. Mit Ja beginnt das Abenteuer.
Ja zu sagen, endet nur zu oft in der Wohlfühlzone, im Gleichschritt und in der Denkfäule. Ausser wenn die Affirmation von uns ein Mütchen oder sogar einen richtig grossen Mut abverlangt. Das Nein (und da meine ich keineswegs das absolute, sture Nein) stellt in Frage, lässt uns genau hinschauen, Schlüsse ziehen, Alternativen erkunden und gelegentlich siedend heisse Wüsten durchwandern. Doch wenn wir mit dem Nein pfleglich umzugehen wissen, stärkt es unsere Persönlichkeit und Glaubwürdigkeit ungemein, was letztlich viel mehr Spass macht, als im Chor harmonisch mitzusingen. Finde ich.
Sprachbilder sind meist nicht “verhandelbar” – überlassen Sie dieses Metier Herrn Seibt. Er beherrscht es def. besser. Die siedend heisse Wüste existiert vielleicht auf einem fernen Planeten, wo der Schwefel kocht. Auf der Erde sind alle heissen Wüsten trocken, ergo nicht siedend. Verneinung macht nur in der Philosophie positiven Sinn. Nietzsche und Popper brachten es als Nein-Sager zu Ruhm. Nihilismus (Nietzsche) und kritscher Rationalismus (Popper) wenden die Menschheit nicht unbedingt zum Guten hin. Es reicht, den falschen Weg aufzuzeigen.
Ich darf Sie beruhigen: Ihr Ja (das natürlich nur so absolut ist wie unbedingt nötig) zum Konzept des ungekühlten Mütchens mündet nicht in der Wohlfühlzone, sondern lässt a n d e r e siedend heisse Wüsten des Nein durchwandern.
Würde Ihr gelegentliches Nein (das nicht stur sein müsste), als Kommentator zu fungieren, nicht Ihre Persönlichkeit und Glaubwürdigkeit ungemein stärken? Sie wüssten damit pfleglich umzugehen, würden Alternativen erkunden, Schlüsse ziehen.
Das würde letztlich mehr Spass machen. Allen. Finde ich.
Ein Journalist wühlt allein aus gründe seiner berufung im Schlamm. Es wird ja von ihm erwartet dass er den untersten Stein nach oben holt. Was mir aber moralisch sehr zu wider ist, ist die tatsache dass Herr Seibt, dieses im persönlichen Schlamm Wühlen als zielgerichtete Karriereschritt proklamiert. Also Herr Seib macht nicht karriere über Aufdeckungsjournalismuss generell, sondern über privates Schlamm rühren. Gezielt personen aussuchen, vielleicht sogar noch auf Grund von gezielter Couluer und Gesinnung und dann “Fishing” betreiben. Stolz sollte anders Gesicht haben.
Nun, die Bibel gibt ihnen Recht: Sitze nicht dort, wo die Spötter sitzen. Doch andererseits gibt es nicht nur die Recherche im Verborgenen, sondern etwas, was verblüffenderweise fast genau so selten ist: das Entdecken des Offensichtlichen. Es braucht die Grausamkeit eines Kindes, um zu sagen: Der Kaiser ist nackt. Auch das gehört zum Journalismus.
Seibt geklont mit Engeler ergibt jenen Typ Journalisten, der Politker erzittern lässt. Ich kenne wenige ausser Ihnen, die ihre Schreibe nicht auch auf die künfig mögliche Karriere ausrichten. Ein Infochef-Posten beim Bundesamt schenkt halt immer noch gewaltig ein im Vergleich zum kargen Redaktionsentgelt. Die Wahrheit geht so mit den Ambitionen flöten.
Klasse. Gleich vier Mal nicht einverstanden. Herr Engeler endete als verbitterter Fanatiker. Herr Seibt hat ziemlich zweifelfafte Seiten. Politiker zittern auch von allein schon. Und es gibt massenweise aufrechte, gut schreibende Journalisten, die nicht vorhaben, Pressesprecher zu werden. Und die es werden, sind leider oft nicht die schlechtesten. Sie sind nur müde.
Es gibt auch Pressesprecher, die zum Journalismus zurückkehren: weil sie lieber wieder ihr eigenes Wort führen wollen als ein fremdes. Und ein Infochef-Posten beim Bundesamt schenkt jetzt auch nicht so gewaltig ein im Vergleich zu einem Kommunikationsjöbli in der Pharma-Industrie oder in der Hochfinanz. Just saying.
Jetzt drückt beim kritischen Journalisten doch noch das Dogma durch. Wenn der politische Gegner (vulgo Klassenfeind) als verbitterter Fanatiker bezeichnet wird, sagt das auch etwas über den Absender aus. Meinen Sie nicht?
Nö. In dem Fall nicht. Es reicht, ihn zu lesen oder zu sprechen – lassen Sie einmal die Politik weg und hören Sie auf den Tonfall.
Gemäss Constantin Seibt ist Urs Engeler verbittert, und Christoph Mörgeli ist auch verbittert, wie Seibt auf Facebook schreibt.
Herr Seibt, Sie sollten nicht immer von sich auf andere schliessen.
Herr Engeler ist einfach ein Grantler. Und Mörgeli ist mitnichten verbittert. Gewiss steht er momentan unter Druck, aber ansonsten fühlt er sich wohl bei seiner Tätigkeit. Ich finde es ist unter Ihrer Würde, so billige Hobby-Psychologie zu verbreiten. Aber ich mag mich da täuschen. Vielleicht entspricht das ja genau Ihrem Niveau.
Bei zweiten handelt es sich – zugegeben immer heikel, daher nur halbprivat auf Fbook – um eine Vorhersage für Herrn Mörgeli: im Entlassungsfall. (Dass er sich ansonsten wohl fühlt, nun, war wirklich nicht mein Gefühl, die paar Mal, als ich mit ihm sprach: Gelassenheit war nicht gerade das, was mir einfiel.) Aber vielleicht fühlt er sich sich in Ihrer Gegenwart entspannter.
Und sonst haben Sie Recht: Meine Verbitterung ist geradezu legendär – von Vampiren wird mein Blut als Apéritiv getrunken.
Mörgeli, der Mann fürs Grobe ist über Nacht so sanft, so verletzlich, so menschlich geworden, als hätte ihm einer das Skalpell an die Brust gesetzt. Er bleibt in musealer Erinnerung.