Es ist Nacht, Sie sind müde, Sie müssen Ihre gottverdammte Kolumne schreiben. Was haben Sie zur Verfügung?
In der letzten, niederschmetternden Folge wurde festgestellt:
- Auf gute Ideen können Sie lang warten. Sie haben vielleicht vier pro Jahr.
- Ihr Privatleben liefert nicht genug Stoff. Es langweilt.
- Vergessen Sie Ihre Meinungen. Diese sind grössten Teils einfach Haare, die nach innen gewachsen sind statt nach aussen.
Was also haben Sie jederzeit greifbar? Ganz einfach: Sie haben zwei, drei halbgute Ideen. Also Ideen, die zwar ein wenig originell, scharf oder lustig sind, aber nicht sehr.
Halbgute Ideen sind unerschöpflicher Rohstoff. Um damit arbeiten zu können, brauchen Sie einen Mechanismus, der halbe Ideen in ganze Kolumnen verwandelt. Denn eine Kolumne ist ein Fliessbandprodukt. Sie besteht zur Hälfte aus der Idee, zur anderen Hälfte aus dem Mechanismus, der diese Idee immer auf die gleiche Art veredelt.
Der Haupttrick dabei ist, Ihre Freiheiten beim Schreiben der Kolumne von Anfang an konsequent zu beschränken. Das Allerschlimmste für eine halbgute Idee wäre, wenn sie auf einem leeren Blatt Papier starten würde. Dort würde sie aus Mangel an Substanz fast jedes Mal verhungern.
Wenn die wichtigsten Entscheidungen bereits vor dem ersten Satz getroffen sind, passieren jedoch zwei Dinge: Erstens sehen Sie weit schneller, welche Ihrer paar halbgaren Einfälle am besten zum Setting passt. Und zweitens schreiben Sie ungleich schneller: Denn die sonst quälenden Grundentscheidungen über Thema, Form & Ton sind bereits getroffen.
Gäbe es eine Entsprechung für den Kolumnenmechanismus im realen Leben, dann wäre das der Haarschneidehelm. Dieser würde jedwelche Köpfe und Haare automatisch in die richtige Form schneiden und dann hoch toupieren.
Wie funktioniert der Helm für Kolumnen? Im Prinzip besteht er aus einem Paket aus drei fix montierten Voreinstellungen. Sie brauchen:
- ein klar definiertes Thema
- eine klar definierte Form
- eine klar definierte Haltung
Stimmt dieses Paket, wird die Kolumne wiedererkennbar und ohne Schmerzen schreibbar. Stimmt es nicht (meistens, weil Sie sich um klare Festlegungen gedrückt haben) bleibt die Kolumne inspirationsabhängig. Das heisst: Sie leidet unter Qualitätsschwankungen. Und ist die Hölle zum Schreiben.
Das Thema
Bei der Wahl des Kolumnenthemas zählen vier Dinge:
- Sie sollten in Ihrem Thema bewandert sein wie ein Bernhardiner in den Alpen, um nicht jedes Mal recherchieren zu müssen. Ideal ist etwa ein Fachgebiet, wo Sie wirklich Bescheid wissen: Bergsteigen, Banking, Kochen, Atomphysik und dergleichen. Oder ein fruchtbares Gebiet, wo jede Woche von den Zeitungen genügend Rohmaterial angeschwemmt wird: wissenschaftliche Entdeckungen, unklare Wirtschaftsnachrichten, Dummköpfe aller Art, etc. (Das ermutigende italienische Sprichwort zum letzten Sujet: «Die Mutter der Idioten ist immer schwanger.»)
- Je schwerer das Thema, desto leichter der Ton. Setzen Sie etwa auf die Erklärung von Phänomenen aus Wirtschaft oder Wissenschaft, dann sollte Ihre Kolumne tendenziell so zart, leicht und verschnörkelt sein wie ein Baiser. Sonst hebt sie sich kaum von den Nachrichten ab. Umgekehrt sollten klassische Kolumnenthemen – wie etwa Essen, Liebe oder Sex – mit Grimm, politischem Dreh oder harter Recherche angegangen werden. Sonst sind Sie nur ein Schwätzer unter hundert anderen.
- Täuschen Sie sich nicht: Das offizielle Thema einer Kolumne ist oft nur die Tarnung des geheimen Themas. So hatte der «NZZ»-Redaktor Max Frenkel das scheinbar harmloseste aller Kolumnensujets: Briefmarken. Darin platzierte er jedoch regelmässig etwas völlig Verqueres: boshafte politische Seitenhiebe. Was dafür sorgte, dass alle Welt seine Briefmarkenkolumne las: Immer auf der Suche nach der gelegentlichen Giftpraline. (Heute, da er in der «BaZ» eine reine Meinungskolumne schreibt, funktioniert Frenkels Magie nicht mehr: Als pure Privatmeinung sind seine Texte nur noch bezahlte Leserbriefe.) Oder die Hausmann-Kolumne von Bänz Friedli: Die Alltagsszenen von Kindern und Küche werden dadurch interessant, dass Friedli im Grund eine andere Frage immer neu stellt: Ist man noch ein Mann, wenn man hauptberuflich Hausarbeit macht? Die Antwort darauf («Ja») gibt der Kolumne Schärfe.
- Das Wichtigste bei der Wahl Ihres Themas ist Ihr Feuer: Es muss Sie etwas angehen. Immerhin müssen Sie sich nun lange damit beschäftigen. Ohne Leidenschaft keine gute Kolumne.
Die Form
Wählen Sie ein strenges Korsett. Zunächst, weil halbe Ideen ein künstliches Rückgrat brauchen. Und dann, weil man bei einer starren Form nicht zu viel beim Schreiben überlegen muss. Hier im Telegrammstil eine Liste:
+++ Die Frage-Antwort-Ratgeber-Kolumne +++ Das Tagebuch +++ Der Brief +++ Ein Theaterdialog (Warnung, aufwändig!) +++ Der Countdown +++ Die Liste (Achtung: Einfach zu schreibende, aber schwere Form: Eine Liste tendiert dazu, viele Ideen zu brauchen, von denen die meisten dann mittelmässig sind) +++ Die Minireportage +++ Eine Rezension +++ Ein Groschenroman +++ Eine Shortstory +++ Eine Zeitungsmeldung plus Kommentar +++ Eine Rede +++ Eine Predigt +++ Ein Kinderaufsatz +++ Ein Gedicht +++ Eine Salonplauderei +++ Der Tipp +++ Das Memorandum +++ etc.
Möglich ist auch, dass Ihre Kolumne immer ungefähr gleich anfängt oder endet: etwa mit einem Zitat. Oder einer Verbeugung, Beleidungung oder Mahnung des Lesers.
Bei sehr verschnörkelten, plaudernden und dadaistischen Kolumnen empfiehlt sich auch die bereits beschriebene Technik des eleganten Schwanzbeissers. So brauchen Sie keine Schlusspointe zu suchen.
Die Haltung
Im Leben ist die Haltung, mit der Sie etwas tun, fast immer wichtiger, als was Sie tun. Hier auch. Die Haltung, in der Sie eine Kolumne schreiben, ist die Entscheidung überhaupt. Denn hat man eine klare Haltung für eine Kolumne, kann man, wie ein Schauspieler, immer wieder beim Schreiben in sie kippen. Und dann trifft man den Ton wie von selbst.
Deshalb sollte man nie, nie eine Kolumne unvorbereitet als man selbst schreiben. Denn man selbst ist eine viel zu vage und stimmungsabhängige Amöbe. Sondern man sollte die Kolumne an einen Teil seiner Persönlichkeit vergeben – an den Mutigen, den Schleimigen, den Zornigen, den Freundlichen, welchen auch immer. Denn dieser ist leichter abrufbereit. Auch wenn man offiziell «ich» schreibt, ist dieses Ich in der Kolumne immer nur eine designte Kunstfigur.
Nun müssen Sie sich entscheiden: Schreiben Sie als Scharfrichter, Butler, Experte, halbes Kind, Professor, Staatsanwalt, Betroffener, Kunde, Verführer, Dandy, Lügner, Opfer, Zyniker, Priester, was immer? Und in welchem Ton? Witzig, trocken, freundlich, zynisch, verschnörkelt, ernsthaft, maschinengewehrhaft, sachlich, unsachlich?
Interessanterweise ist – zumindest für Anfänger – eine böse Rolle die klügere Wahl. Das, weil das Publikum Gift ernster nimmt als Güte. Und weil es erstaunlich Vergnügen macht, einmal in der Woche die schwarze Maske anzuziehen. So wie auch Kinder viel Spass dabei haben, böse zu sein.
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Nun, falls Ihnen das noch zu abstrakt war, werden in der nächsten Folge mehr praktische Beispiele folgen, als Ihnen lieb ist. Und, falls noch Platz bleibt, die lang angekündigte Anekdote, mit wem in der Tamedia-Chefetage ich nicht schlief.
ich wage zu widersprechen. es braucht eine “zündende” idee – hab’ ich den ersten satz, dann flutscht der rest nur so. ein single-maltchen dazu hebt den kreativitäts-level zusätzlich an. bei ihnen, herr seibt, liegt das an der grundhaltung -> “ich MUSS den ***-blog heute nacht noch schreiben…”; ja da blockieren sie sich natürlich nur selber. aber das ist wahrscheinlich die krux, wenn man für kohle schreibt. meine freiheit ist zu schreiben was und wann ich will, frei nach dem lustprinzip! (gut, ich hab’ ja auch was anständiges gelernt). 🙂
Das ist auch der Unterschied von Profi und Amateur: Der Profi wird wird von den Produktionsbedingungen inspiriert und nicht von der Inspiration selbst. Und Ihre Beschreibenung des Flutschens klingt sehr nach Freizeitvergügen…
das ist so. trotzdem werde ich bei ihnen den verdacht nicht los, dass sie ihr licht unter den scheffel stellen?
Ich wage Euch beiden zu widersprechen. Wenn mensch etwas zu sagen hat, dann auch etwas zu schreiben – unabhängig davon, ob dafür bezahlt oder reines Freizeitvergnügen. Und das mit dem ersten Satz und der Rest ergibt sich von alleine halte ich genauso für Blödsinn, denn, wenn ich nichts zu sagen habe, keinen Grundgedanken im Kopf habe, den ich auf’s Papier bringen möchte, dann nützt es überhaupt nichts, wenn ich den 1. Satz habe. Habe ich aber diesen Grundgedanken (von mir aus: Idee), dann ist das Schreiben nur das zu Papier bringen der fliessenden Gedanken, also artikulierte Denkarbeit.
Sehr gewagte Behauptungen, Frau Hangartner. Die Online-Kommentarlisten zumindest der überregionalen deutschen Tages- und Wochenzeitungen, bersten von Sinn- Stil- und Geschmacklosigkeiten von Leuten, die glauben, was zu sagen zu haben. Auch über den “Grundgedanken im Kopf” und der daraus resultierenden “artikulierten Denkarbeit” ließe sich trefflich philosophieren. Heb ich mir für eine Kolumne auf.
Nachtrag: “Heute schon gepöbelt?” fragt die FAZ online. Passt doch:
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/online-kommentare-heute-schon-gepoebelt-11871812.html
interessant ist, dass hier viele hobbyschreiber kommentieren, während die profis quasi nix sagen. interessant auch, dass sich auffällig viele hobbyschreiber eher selbstverliebt und krud äussern, wie oben. henusode, dann sind sie von der strasse weg, könnte man zugute halten. ist aber auch überholt. heute ist das netz auch eine strasse. wo man nicht dauernd von hobby-egos belästigt werden möchte. also reisst euch am riemen, hobbyschreiber. auf eure verbale eitelkeit hat niemand gewartet.
stimmt. aber es macht trotzdem spass!
Bugsierer, gab’s da nicht mal irgend so ein Sprichwort, irgend was mit nem Besen und ner Haustüre? Gruss von einer Hobbyschreiberin (was auch immer das sein mag) 😀
Gemütlich in einem Land zu wohnen, wo Texte frisiert, gestylt, ästhetisiert niedergeschrieben werden können. Anderswo sind Menschen darauf angewiesen, Texte lesen zu können, die Energien freisetzen im Kampf um das tägliche Überleben. Verdammt, wir haben echte Wohlstandsprobleme – auch die Zeitungsmacher (Schreiberlinge) sind nicht frei davon, wenn sie sich dauernd den Kopf zerbrechen müssen, welches Schwachstromereignis zum SUPER-GAU werden könnte. Wir werden in Schönheit sterben und rundum zerbröselt die Welt. Wir sind so frei, die Leichen schön zu reden.
Natürlich haben SIe Recht, Herr Hofstettler. Aber ein wenig ist dieses Argument wie: Wie könnt ihr nur essen, wenn alle 5 Sekunden ein Kind verhungert. Und das hat was. Nur: Was hier oben versucht wird, ist zu sagen, wie das Zuckerzeugs (das in unserer Branche eben auch verkauft wird und dessen Herstellung zum finanziellen Überleben eben auch eine Rolle spielt) effizient machbar ist. Damit man den Kopf für Wesentlicheres frei hat. Was dann vielleicht auch nur eine neue Form von Vergeblichkeit ist, zugegeben.
Lieber C. Seibt. Beim Wesentlichen geht es um Inhalte und weniger um den Zuckerguss. In Russland, in Mexiko sind die Inhalte das Zentrum. Nicht verwunderlich, dass Journalistinnen von den Mörderbanden und ihren Gehilfen, den Regierungen umgebracht werden. Die Frage ist doch: Was könnte bei uns inhaltlich im Zentrum stehen? Vor vier Jahren haben einige Journalisten vom Wertewandel gesprochen. Was ist aus ihm geworden? Ein Wertewandel ist unbequem. Vielleicht müssen Lebensgewohnheiten hinterfragt werden und der Wert von Jobs neu definiert werden. Journalismus darf Partei ergreifen.
Schon mal den Back-Katalog von CS ausserhalb des Blogs durchgeblättert? Nur so, von wegen wesentlichen Themen…
Briefmarken geben mehr her als man denkt, ist es schliesslich eines der wenigen Produkte bei dem der Wert stark steigt, wenn der Drucker pfuscht oder der Farbmischer ein paar Bögen falsch einfärbt.
Mit weit über einer Million Motiven und Propaganda aller Art hat man ja auch praktisch sämtliche Lebensbereiche, Wissenschaften, Geschichte, Politik, Sport, Natur, Gesellschaft usw abgedeckt, da lässt sich gut Kolumnen daraus schreiben. Diese kleinen Bildchen bieten wahrscheinlich das kompletteste Bild der Menschheit der letzten gut 110 Jahre (vorher war zumeist Herrscher abgebildet).
…das (un)wort des jahres -> “sozialhomodemokraten” *hhhuuuuaaaaaaaahahahahahahaaaaaa*
Ist das Ihre Variante Ihres Konzepts von zündender Idee und unblockiertem Schreiben?
nicht wirklich. habe das in einem politblog aufgegriffen. da ich aber eine relativ simple charaktere bin, hat’s mich (politisch neutral) einfach rein vom begriff her belustigt. -> hier eine kleine kostprobe von meinem unblockierten schreiben in form meines legendären samichlaus-gedichtes:
samichlaus du alte pinsel, gib mer d’ruete bis i winsel, gib mer öpfel, nuss und dirne, muesch gar nöd lang drah ume hirne. dänn hetti au no gärn ä jacht, und 3 geili chatze für nachem z’nacht! oh samichlaus so grau und alt – erfüll’ diä wünsch, susch mach’ di chalt! LG Ph. Rittermann
Er, Rittermann, hat einen Anfang gemacht. Aber meistens kommt die Blockade dann doch irgendwann, was kein Unglück wäre.
🙂
Ein guter Verkäufer identifiziert sich mit Leib und Seele mit seinem Produkt, selbst wenn dieses Produkt das Allerletzte ist, auf das die Welt gewartet hat. Und ausserdem weiss der gute Verkäufer nur zu gut, dass die Kundschaft der Verpackung und dem Kauferlebnis zumeist den grösseren Stellenwert beimisst, als dem Produkt selbst.
Abgeleitet auf den kommerziell orientieren guten Journalisten / Kolumnisten (der mehr ein Verkäufer als ein Künstler sein muss) heisst dies erschreckend nüchtern: Auf die Glaubwürdigkeit, die Form und die Präsentation kommt es an, die Inhalte sind nur das Zugemüse…
Glaubwürdigkeit, hier? please….
ich denke es ist eine kombination von beidem, herr granello.
Wie Recht Sie haben. Und genau deshalb mag ich den Seibt nicht mehr lesen.
“Oder die Hausmann-Kolumne …: Die Alltagsszenen von Kindern und Küche werden dadurch interessant, dass Friedli im Grund eine andere Frage immer neu stellt: Ist man noch ein Mann, wenn man hauptberuflich Hausarbeit macht? Die Antwort darauf («Ja») gibt der Kolumne Schärfe.” Und das wird gelesen und als relevant betrachtet. das ist doch Bagatelle, ausser für diejenigen, die in einer Zeitanomalie leben in einem Jahrzehnt way way back….
ich sehe die Essenz ihrer Kolumne nicht.
zum giftigen, da habe ich ja einen ruf…. bewirkt meist, dass dank des ‘Rufes’ es überlesen wird. also zero reach.
and like I said, you still put me in the wait queue. although that other people who do not write here as much as I do get switched through instantly, as the post above “24 August 2012 um 00:15” prooves. This is evidence that you have a tremendious bias. apparebtly no women write here either.
Sie geben das Stichwort, liefern im Taumel ihrer Entrüstung die zündende Idee!
Die WARTESCHLANGE in all ihren Gattungen und Erscheinungsformen – das ist ein mindestens so genialer Sockel für Kolumnen wie die zungengeschleckte Briefmarke!
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® zu früh gefreut, Herr Seibt, dîese meine Idee habe ich flugs schützen lassen 😉
Liebe Katarina, nein, es geht hier nicht um die Frage Frau oder Mann. Wie Sie ja richtig bemerken, haben Sie im Giftigen einen Ruf. Kurz: Sie stürmen ins Wohnzimmer und krakeelen etwas herum. Kein Wunder, landen Sie in der Warteschlange. Und kommen nur dann ins Haus, wenn jemand (ich oder der Moderator) gerade einen schwachen Moment hat: aus Mitleid. Eigentlich würde man ja lieber sagen: Get a life.
PS: Das gilt nicht für Sie. Und was my tremdous bias betrifft: Ich hab was gegen Geschwafel, woher immer es auch kommt.
Ihnen ist bewusst, dass Sie sich mit dem Miteid auf eine persönliche Ebene begeben und auf Glatteis, da Sie mich überhaupt nicht kennen?
Wenn Sie Kritik, oder dass ich Sie nicht ganz ernst nehme, als Geschwafel abtun, dann besagt Ihre Wortwahl viel über Ihr Selbstverständnis aus, bzw. als was Sie die Kommentierer wohl wirklich sehen.
Ich sehe die Essenz Ihrer Kritik nicht.
Ja, allerdings sehe ich hier einige Kommentatoren so: als Schwätzer in meinem Wohnzimmer. Irgendetwas wird gesagt, egal was. Meistens blocke ich es. Und dann denke ich manchmal: Ach der Arme, er hat keine Bühne. Und das noch Schlimmer: Er hat zu Recht keine. Und dann bekomme ich manchmal Mitleid und schalte es frei. Und bereu es meistens.
Mit welchem Recht so urteile, obwohl ich Sie und andere nicht gelesen habe? Auch Schriftliches hat einen Ton, ein Charakter, ein Gesicht. Und so schön Ihres in Natura sein mag, so wenig gefällt mir dieses: Es ist gereizt und fahrig. So seh ich das, leider.
Interessant ist ja die Tatsache, dass sich unser lieber Blogger in diesem Blog so überhaupt nicht an diese Grundsätze hält. Er schüttet uns im Wochentakt mit den hervorragenden Ideen/Erkenntnissen aus Jahrzehnten des Schreibens zu (solche Erkenntnisse hat man nicht einmal vier pro Jahr), statt mit halb-guten Ideen, Tonalität und Form wechseln mit jedem Mal, etc. etc. — Der Mann verschiesst hier quasi gratis im Höchsttempo sein bestes Pulver und belehrt uns, es nicht zu tun!
Man kann nur hoffen, dass das auch noch in Buchform erscheint, so dass man etwas dafür bezahlen kann.
Gehen Sie am besten in die Buchabteilung eines Brockenhauses und kaufen Sie sich dort Bücher nach dem Heizwert des Papiers. Sie werden staunen, wieviel Kilojoule pro Franken Sie nach Hause tragen dürfen!
Eine Idee ist – man drehe und wende sie, wie man will – nur so gut, wie sie umgesetzt wird. Ich schnuppere hier immer wieder gerne rein und stibitze ein paar Häppchen vom üpigen Buffet, das Sie hier regelmässig anbieten, Constantin S. Ich fühle mich überfordert vom reichhaltigen Angebot und deshalb erst heute meine Gedanken dazu. Nur etwas kürzer in der Form wäre mir recht, denn es hat soviel Bereicherndes darin, dass ich öfters passen musste. Es kommt mir vor wie bei einem Museumsbesuch, wo mich die Fülle der Kunst überwältigt und ich lieber weniger Bilder gewisser Künstler mir zumute…
jessas. wenn ich das alles so lese… ich vergleiche jetzt mal äpfel mit birnen, (weil herr seibt ist profi und ich doofi): wenn man die grundsubstanz des schreibens herrn seibt’s mit meiner verbalen brutalität und den zündenden ideen vereinen würde…ja was würden die damen und herren denn dazu meinen….das wäre ja dann quasi ein grandmasterflash…eine irrfahrt à la space-odyssey….ein hurricane menschlicher abgründe – vom feinsten! seid froh, ist herr seibt soo gemässigt; ich würde euch mit orgiastischer opulenz den letzten rest verstand abtöten – DAS nenne ich überforderung.
Es gibt Blogs, die sind wie Zigarettenpausen an der Uni. Man darf noch den grössten Blödsinn erzählen und sich genüsslich beim Reden zuhören. Und es gibt Blogs wie dieser, die sind wie Vorlesungen bei der Koryphäe. Hier spricht einer, der sich sehr gut auskennt, und ausser ein paar Erstsemestern glaubt niemand, mehr zu sagen zu haben als der Dozent.
Ach! statt Statements selbsternannter Claqueure wünschte ich mir in diesem und in anderen Blogs mehr Beiträge zur Sache…
QED, Herr Granello.
Bei mir steht zumeist ein Sprachbild (eine ‘Metapher’) am Anfang. Dies Bild ‘auszumalen’, führt auch zum Ziel.
Beispielsweise? Welche Bilder? Und mit welchem Ergebnis?
Nun ja – nimm das Bild des ‘letzten Aufrechten’, also den sattsam bekannten ‘konservativen Tabubrecher’ der deutschen Publizistik, bspw. jemanden wie Henryk M. Broder, der notorisch und mit Aplomb offene Türen einrennt. Du aber kaufst ihm sein Selbstbild des ‘letzten Aufrechten’ scheinbar ab. Und du lächerst ihn, indem du weitere ‘letzte Aufrechte’ rings um ihn auftauchen machst, den Fleischhauer, den Matussek, den Posener, die Seibel, die Siems, dern Poschardt … und, und, und. Allmählich wandert dein Anfangsbild in den Bereich der Glosse ab, weil’s plötzlich nur noch diese Mavericks gibt ..
Und dann war die Zeichenzahl zuende …