
Jürg Conzett
Als Finanzanalyst und Hedgefonds-Manager litt Jürg Conzett mit den Märkten, als Leiter des Money Museums in Zürich will er die Menschen zum Nachdenken bringen über ihr Verhältnis zum Geld. Conzett hält es für eine Sünde, Geld zu horten ohne Ziel. Weil er riskiert, demnächst wieder viel Geld zu verdienen, hat er ein neues millionenschweres Projekt lanciert. Download PDF-Datei
Herr Conzett, Dollar und Euro haben in den letzten Wochen dramatisch an Wert verloren im Vergleich mit dem Schweizer Franken, alle wichtigen Aktienindizes sind getaucht. Macht Ihnen diese Entwicklung Angst?
JÜRG CONZETT: Ich habe früher in Japan gewohnt und erinnere mich: Wir wussten um die Erdbebengefahr, aber wenn dann die Wände zitterten, fürchteten wir uns doch so, als träfe uns alles ganz unvorbereitet. Ähnlich geht es mir jetzt. Es war mir längst klar, dass unser Geldsystem und damit unsere Gesellschaft in ihren Grundfesten erschüttert werden würde. Nun zeigt sich aber das ganze Ausmass der Krise und ich gebe zu: Das macht Angst. Entscheidend ist jetzt die Frage, ob wir die Angst verdrängen und so tun, als handle es sich nur um einen Betriebsunfall, oder ob wir die Angst nutzen.
Vielleicht müsste man – mit Blick auf die Börse – eher von Panik reden als von Angst. Panik ist selten ein guter Ratgeber.
Zumindest hat sie keinen guten Ruf. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Panik Balsam für das Gehirn sein kann. Wenn wir Adrenalin ausschütten, wird unser Gehirn gewaschen. Wir funktionieren nicht mehr richtig, verstehen nichts mehr – und sind danach neue Menschen.
Sprechen Sie aus Erfahrung?
O ja, ich habe heftige Panikattacken erlebt am Markt. Nachdem ich bei verschiedenen Banken als Analyst gearbeitet hatte, machte ich mich als Hedgefonds-Manager selbständig – in Konkurrenz mit amerikanischen Firmen, die viele Spezialisten beschäftigten. Eine Weile lief das sehr gut, doch dann merkte ich schlagartig, dass ich mich nicht mehr auf meine Methoden verlassen konnte – ich fuhr mit vollem Tempo gegen die Wand. Wenn mir ein Arzt in dem Moment gesagt hätte, morgen werde ich sterben, hätte ich geantwortet: Ich bin gestern gestorben. Es entzieht einem den Boden. Mein Urgrossvater und ein Kollege haben sich in ähnlichen Situationen das Leben genommen.
Wie kommen Sie also dazu zu sagen, Panik sei Balsam fürs Gehirn?
Wenn man es aushält, tagelang ein Nichts zu sein und keinen Weg zu sehen, spürt man irgendwann die reinigende Wirkung. Nach meinen schlimmsten Niederlagen kam jeweils die beste Zeit. Da war ich komplett offen, sah die Dinge wie zum ersten Mal, erkannte neue Zusammenhänge und lernte so schnell, wie man das sonst nur zu Beginn des Lebens macht.
Beobachten Sie einen ähnlichen Lerneffekt auch bei den Politikern und Managern, die heute an der Macht sind?
Leider nicht, nein. Einige Banker haben sich angewöhnt, ihre Kunden als Beute zu betrachten, als Renditeobjekte. Die Chance, dass ein Kunde zwei Prozent Rendite einbringt, ist am grössten, wenn man ihm komplizierte Produkte verkauft, die weder der Kundenberater noch der Kunde richtig versteht. Manche Politiker interessieren sich hauptsächlich für ihre Wiederwahl und profilieren sich daher durch unrealistische Versprechen an die Wähler – ohne jede Sorge um die langfristigen Konsequenzen. Beide, Banker und Politiker, haben ihrer Klientel versprochen: Ihr bekommt etwas, ohne etwas zu geben. Und nun stellen wir fest, wie schwierig solche Glaubenssätze zu ändern sind und wie folgenschwer der dahinterliegende Irrtum war. Wir haben Schulden gemacht in einem Ausmass, das jeden Zorn der jungen Generation verständlich macht. Es gibt viele Enttäuschte, die nun ein Ventil suchen für ihre Wut. Aktuell sehen wir das in London, bald in vielen anderen Städten.
Können die Interventionen der Notenbanken, die fleissig Staatsobligationen aufkaufen und Geld drucken, die Lage beruhigen?
Nein. Im Moment sehen wir, wie die USA und Europa ihre Währungen vernichten. Ich halte das für einen Verrat an der Gesellschaft. Die Taktik, Staatsanleihen aufzukaufen, wird in rund einem Jahr Schiffbruch erleiden – und zwar in dem Sinne, dass sich die Inflation wie ein Flächenbrand ausbreiten wird in den nächsten Jahren. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das ohne bürgerkriegsähnliche Zustände passieren wird. Geld ist das Schmiermittel unserer Gesellschaft – wenn es vernichtet wird, gibt es grosse Probleme. Die Tatsache, dass das Geld abstrakt und unsichtbar geworden ist, erschwert es uns, die grundlegenden Dinge zu verstehen.
Sie sind auch als Berater in der Vermögensverwaltung tätig. Was raten Sie verunsicherten Anlegern?
Erst einmal sage ich ihnen: «Sie bringen mir Geld, das Sie nicht brauchen, und wollen auch noch Geld verdienen damit?» Wer nicht weiss, was er mit seinem Geld anfangen will, wird es verlieren. Es ist furchtbar, eine Aktie zu halten bloss weil man denkt, ihr Kurs werde steigen. Geld ist nicht einfach ein Objekt, es ist ein Energieprinzip. Und es lässt sich nie ganz vom Menschen trennen. Sein emotionaler Bezug zum Geld zieht positive oder negative Energie nach sich.
Das war jetzt kein sehr konkreter Anlagevorschlag.
Ich wollte damit nur sagen: Geld zu horten wie Dagobert Duck halte ich für eine moderne Sünde. Geld sparen für einen höheren Zweck ist eine Tugend. Ich habe das Geld, das ich verdiente, immer in Projekte, eigene und fremde, investiert. Und ich hatte glücklicherweise immer mehr Ideen als Geld. Deswegen sage ich: Es ist die erste Pflicht jedes Anlegers, sich bewusst zu machen, für was er Rendite machen will. Der konkrete Anlagevorschlag für die nächsten Monate ist simpel: Schweizer Franken liquide halten auf einer sicheren Schweizer Bank, zum Beispiel der Berner Kantonalbank. Bis in 12 oder 18 Monaten sollten Sie herausgefunden haben, was Sie mit dem Geld machen wollen – es gibt ja in Umbruchphasen immer gewaltige Chancen.
Wie wurden Sie eigentlich vom Hedgefonds-Manager zum Gründer und Leiter des Money Museums in Zürich?
Seit meiner Studienzeit treibt mich die Frage um, wie Menschen mit Geld umgehen, was Geld für sie bedeutet, bewusst oder unbewusst. Seit 15 Jahren sammle ich Geldgeheimnisse, seit 10 Jahren führe ich Geldtypen-Tests durch. Der Typ Dagobert Duck, der Geld hortet und darin unglücklich stirbt, kommt sieben Mal häufiger vor als der Typ Hans im Glück, der das Geld als Motor für seine Leidenschaften einsetzt.
Sie haben gut reden – Sie stammen aus einer wohlhabenden Familie und haben als Banker sehr viel verdient.
Stimmt, das ist ein Privileg, aber keine Glücksgarantie. Ich kenne sehr reiche und doch unglückliche Menschen. Entscheidend ist in meinen Augen, ob man seine Berufung lebt und – wenn man privilegiert ist – anderen Menschen hilft, sich selber zu werden. Ich fand es stets furchtbar langweilig, Obligationen oder Aktien zu besitzen. Irgendwann begann ich, in Ideen zu investieren, an die sonst niemand glaubte. Manchmal ging das Geld verloren, in anderen Fällen entwickelten sich wunderbare Firmen. Ein Unternehmen, das von fünf Studenten und einem Professor gegründet wurde, ist nun so stark gewachsen, dass ich riskiere, damit viel Geld zu verdienen. Um darauf vorbereitet zu sein, habe ich das Projekt Money World lanciert. In einem alten Haus an der Bärengasse, mitten in der Zürcher Bankenszene, sollen die Besucher ab nächstem Jahr das Geld und ihr Verhältnis dazu unmittelbar erfahren können.
Kontakt:
www.sunflower.ch
Ein herrlicher Kontrast zu Ospel & Co.! Nur dem Wort “Sünde ziehe ich das modernere “Verbrechen”! vor.
Wunderbar! Jemand der Geld nicht als slebstzweck versteht und sich die mühe macht selbst zu denken. Ich hoffe as dies auch andere banker zum nchadenken über unser selbstzerstörerisches geldsystem bringt!