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Der Unternehmer, der Nestlé der Liebe wegen einen Korb gab

Mathias Morgenthaler am Samstag den 25. Mai 2019
Roland Laux: HSG-Absolvent, Glaceverkäufer, Nestlé-Manager und Unternehmer mit RE-Coffee.

Roland Laux: HSG-Absolvent, Glaceverkäufer, Nestlé-Manager und Unternehmer mit RE-Coffee.

Roland Laux fällte in seiner Laufbahn mehrere unvernünftige Entscheidungen und bereut keine davon. Nun steht der 52-Jährige mit seiner dritten Firma vor dem Durchbruch: Er hat es mit dem Kaffee-Kaltgetränk RE-Coffee ins Migros-Sortiment geschafft, am Dienstag will er in der TV-Show «Höhle der Löwen» neue Investoren gewinnen.

Interview: Mathias Morgenthaler

Herr Laux, Sie haben bereits drei Unternehmen aufgebaut – wie wurden Sie vom Konzernmanager zum Gründer?
ROLAND LAUX: Ich habe immer meinen eigenen Weg gesucht, schon in jungen Jahren. Nur ganz zu Beginn machte ich Kompromisse. Ich war ein leidenschaftlicher Leser, las Tolstoi, Dostojewski und andere grosse Romanciers. Eigentlich hätte ich gerne Literatur studiert, aber nachdem ich mehrmals gefragt worden war, ob ich als Taxifahrer enden wolle, schwenkte ich um und schrieb mich an der HSG für ein Wirtschaftsstudium ein. Vielleicht war es die bessere Wahl, denn Literatur und Geschichte hätten mich wohl zu sehr aufgewühlt. Mein Vater stammt aus Deutschland, mein Grossvater hatte an der Ostfront gekämpft …

Ausbezahlt hat es sich jedenfalls: Nach dem HSG-Studium winkte die Karriere bei Nestlé.
So ganz reibungslos ging das nicht. Ich unterbrach mein Studium zweimal für ein Jahr, um als Nachtdienstläufer bei der Post zu arbeiten und dann mit dem verdienten Geld Mittel- und Südamerika zu bereisen. In Mexiko, Venezuela und Kolumbien war ich so hingerissen von der Lebensfreude und Spontaneität der Menschen, dass mir bald klar war: Nach dem Studium wollte ich in einem dieser Länder Wurzeln schlagen. So bewarb ich mich nur bei Firmen, die in dieser Gegend tätig waren. Bei Nestlé kam ich unter die letzten fünf von Hunderten von Bewerbern um drei Stellen. Dann lernte ich in einer Pizzeria in St. Gallen meine heutige Frau kennen und wusste sofort: Sie ist die Frau meines Lebens. Weil sie das Restaurant frühestens nach zwei Jahren aufgeben wollte, sagte ich Nestlé ab und fügte hinzu, in zwei Jahren stünde ich zur Verfügung. All meine Freunde griffen sich an den Kopf, wie ich die Aussicht auf so einen Job einer ungewissen Liebe opfern konnte.

Es hat ja dann doch noch geklappt.
Wir heirateten, ich jobbte zwei Jahre, und dann erhielt ich tatsächlich eine zweite Chance bei Nestlé, zog mit meiner Frau nach Santiago de Chile und verkaufte dort zwei Jahre lang Glace. Das war kein Bürojob, sondern Frontarbeit: Tag für Tag klapperte ich in allen Quartieren der 7-Millionen-Einwohner-Stadt die kleinen Läden ab und verhandelte mit den lokalen Inhabern. Am Anfang verkaufte ich wenig, weil ich Mühe hatte mit dem chilenischen Spanisch, später brach ich alle Rekorde und durfte eigene Glace-Sorten entwickeln, die heute noch verkauft werden.

Sie stiegen ins Management auf und hätten es weit bringen können. Warum verliessen Sie den Konzern nach sechs Jahren?
Wir waren nach vier Jahren in Chile als vierköpfige Familie nach San Francisco umgezogen, nach zwei Jahren stand eine weitere Veränderung bevor, möglicherweise ein Wechsel nach China. Ich hatte bis zu dem Zeitpunkt genügend Manager kennen gelernt, die ihre Familien kaum sahen, deren Leben sich in Taxis, Hotels und Golfclubs abspielte. Das wollte ich nicht. Also kehrten wir in die Schweiz zurück, und ich wagte mit meinem Pensionskassenguthaben und einem Darlehen von meinem Vater den Sprung in die Selbstständigkeit als Innovationsberater in der Lebensmittelbranche. Nach einem Jahr hatte ich die Reserven aufgebraucht und noch immer keinen Kunden. Dann drehte der Wind und ich konnte spannende Projekte vorantreiben wie die Lancierung des Biers Eve, mit dem Feldschlösschen die Frauen als Biertrinkerinnen gewann.

Wie kamen Sie später auf die Idee, eine Internetplattform zu lancieren, die Vielbeschäftigte für ein paar Tage in Urlaub schickt?
Ich hatte mich mit einem Freund, der ebenfalls Unternehmer war, zum Bier getroffen. Wir nahmen uns vor, gemeinsam eine kleine Städtereise zu machen, um mal wieder Zeit für Gespräche zu haben. Wir glichen unsere Terminkalender ab und fanden in den nächsten 10 Wochen keine Lücke. Da wurde uns bewusst, wie sehr wir im Hamsterrad unterwegs waren. Wir gaben einem rumänischen Informatiker den Auftrag, für 300 Euro eine App zu programmieren, die uns nach einem Zufallsgenerator irgendwann in den kommenden 30 Tagen die Nachricht «GO!» und eine Destination auf unsere Handys schickte. Wir organisierten uns so mit unseren Teams, dass wir wirklich alles liegen lassen konnten – und reisten so wenige Stunden nach Erhalt der Nachricht nach Barcelona. Es war unglaublich, wie viele wunderbare Dinge sich dort ergaben durch unseren ungeplanten Aufenthalt, durch die geschenkte Zeit. Unsere Erfahrung sprach sich herum, viele andere sehnten sich auch nach einem solchen Ausbruch – und so lancierten wir die Firma Bbacksoon, die das anbietet.

Kaffeemaschine für Tüftler: Mit Forscher Tilo Hühn hat Roland Laux ein spezielles Verfahren entwickelt.

Kaffeemaschine für Tüftler: Mit Forscher Tilo Hühn hat Roland Laux ein spezielles Verfahren entwickelt.

Ihr neuster Wurf ist ein kalt gebrautes Kaffee-Erfrischungsgetränk. Ist das nicht eine unmögliche Mission im hart umkämpften Getränkemarkt?
Ich bin seit vielen Jahren mit Tilo Hühn befreundet, einem passionierten Tüftler, der als Professor am ZHAW-Institut für Lebensmittel- und Getränkeinnovation tätig ist. Wir hatten zuvor ein spezielles Schokolade-Herstellungsverfahren entwickelt und das Patent schliesslich an Dieter Meier verkauft. Auch die Kaffeeherstellung ohne Erhitzung hatten wir patentieren lassen: Wir vermahlen die frisch gerösteten Bohnen direkt im kalten Wasser. Dadurch bleiben alle Aromastoffe erhalten, aber es werden weniger Säure und Bitterstoffe freigesetzt. So entsteht ein sehr aromatisches Getränk ohne Zucker, Kalorien oder Zusatzstoffe. Eine 260-Milliliter-Flasche RE-Coffee hat den Koffeingehalt von drei Tassen Espresso und beflügelt deshalb Denker ebenso wie Sportler. Und wir geben gleichzeitig etwas zurück an die Herkunftsregion unserer Kaffeebohnen: Für jede Flasche, die wir verkaufen, ermöglichen wir dank einem Projekt mit Helvetas 2,5 Tage Trinkwasser für eine Person in Äthiopien.

Gesund und vielseitig verwendbar: Das Kaltgetränk von Laux enthält weder Zucker noch Kalorien.

Gesund und vielseitig verwendbar: Das Kaltgetränk von Laux enthält weder Zucker noch Kalorien.

Sie haben es bereits ins Migros-Sortiment geschafft und buhlen kommende Woche in der Gründer-TV-Show «Die Höhle der Löwen» um die Gunst von Investoren. Befürchten Sie nicht, dadurch die Kontrolle über Ihr eigenes Geschäft zu verlieren?
Das ist immer eine Gratwanderung. Wir sehen es am Beispiel der Migros, wie schwierig es ist, als neue Marke ohne grossen Marketingetat Beachtung zu finden. Der Kunde kennt die gesüssten Milchkaffeeprodukte und die Energydrinks und übersieht uns im Kühlregal bei den Fruchtsäften. Deshalb ist der TV-Auftritt für uns eine grosse Chance. Und ich bin derart überzeugt von der Qualität des Produkts, dass ich grosses Potenzial auch ausserhalb der Landesgrenzen sehe. Dafür brauchen wir als kleines Ostschweizer Unternehmen starke Partner. Das Wichtigste für mich als Unternehmer ist, einen Wert zu schaffen, der Bestand hat. Ob ich und mein Mitgründer die Fäden allein in der Hand behalten, ist sekundär.

Kontakt und Information: www.re-coffee.ch oder r.laux@re-coffee.ch

«Die Höhle der Löwen»: Die Sendung mit Roland Laux wird am Dienstag, 28. Mai, ab 20.15 Uhr auf TV24 ausgestrahlt.

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3 Kommentare zu “Der Unternehmer, der Nestlé der Liebe wegen einen Korb gab”

  1. Tom sagt:

    Und was ist jetzt so neu an RE- Coffee? Ich setze meinen Kaffee in den warmen Monaten seit vielen Jahren frisch gemahlen mit kaltem Wasser an und erhalte so ein aromatisches, erfrischendes und sehr anregendes Getränk ohne bittere und säuerliche Akzente. Vorschläge zum Ansetzen von Kaffee mit kaltem Wasser gibt’s auch im Internet seit vielen Jahren.

  2. Marek sagt:

    Das sind genau solche HSG Studierte, bei denen der Lebenslauf nur so strotzt von Glückseeligkeit. In Tat un Warheit laufen Sie über Leichen für ihren Ruhm. Geben sich gegen aussen sozial und den Arbeiter rechnen sie vor, dass sie 20 Sekunden zu lange für für die Arbeit brauchen.

  3. Marco De Micheli hrmbooks.ch sagt:

    Ein Unternehmer, der Hochachtung verdient und nicht alles der Karrie opfert, sondern die wirklich wesentlichen Lebenswerte höher gewichtet und auch darnach handelt.