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«Was andere dir beibringen, ist nie ganz dein Eigenes»

Mathias Morgenthaler am Freitag den 28. Dezember 2018
Die Freude am Kochen und Gestalten bleibt Nadia Damasos wichtigster Antrieb.

Die Freude am Kochen und Gestalten bleibt Nadia Damasos wichtigster Antrieb.

Mit zehn Jahren kochte sie Viergang-Menus für ihre Familie, mit 19 Jahren brachte sie ihr erstes Kochbuch «Eat better not less» auf den Markt und führte damit 16 Wochen lang die Bestsellerliste an. «Ich hatte früh meinen eigenen Kopf», sagt die heute 23-jährige Nadia Damaso, die sich als gut organisierte Chaotin bezeichnet.

Interview: Mathias Morgenthaler

Frau Damaso, vor gut drei Jahren haben Sie als 19-Jährige Ihr erstes Kochbuch veröffentlicht. Ahnten Sie damals, dass sich Ihre Bücher bald besser verkaufen könnten als jene von Jamie Oliver?
NADIA DAMASO: Ich hatte gar keine Zeit, mir über solche Dinge Gedanken zu machen. Im Frühling 2015 hatte ich zwar 30’000 Follower auf Instagram, aber es gibt nichts Flüchtigeres als Likes auf Social-Media-Kanälen. Deshalb schrieb ich zwei Verlage an und fragte, ob sie mit mir ein Kochbuch herausbringen möchten. Nach zwei Tagen bekam ich eine positive Antwort: Der Fona-Verlag wollte das Buch aus den Rezepten zusammenstellen, die ich schon online publiziert hatte. Ich wollte aber alles von A bis Z neu kreieren. Ich probierte lauter neue Rezepte aus, lud Freunde zum Testessen ein, fotografierte alles selber und stellte das Buch nach vier Monaten komplett fertig. Da ich zu der Zeit noch an der Schauspielschule studierte, war ich sieben Tage pro Woche praktisch rund um die Uhr dran.

Wann spürten Sie, dass es ein Erfolg wird?
Ich erinnere mich noch gut, wie ich am Tag nach der Erscheinung in Zürich in der Orell-Füssli-Buchhandlung fragte, ob schon ein Exemplar meines Buchs verkauft worden sei. «Schon deren vier», sagte die Verkäuferin freundlich. Nach einer Woche erfuhr ich vom Verlag, dass die Erstauflage von 2500 Stück ausverkauft war. Das Buch war insgesamt 16 Wochen lang auf Platz 1 der Bestsellerliste.

Was hat sich für Sie verändert durch diesen Erfolg?
Ich hatte im Voraus nie ans Geldverdienen gedacht und schon gar nicht daran, durch das Buch prominent zu werden. Ich wollte andere anstecken mit meiner Freude und die Emotionen teilen, die ich mit dem Kochen und Essen verbinde. Aber klar, wenn du plötzlich vor Stars wie Jamie Oliver auf der Bestsellerliste bist und fast täglich Medienanfragen erhältst, verändert das dein Leben. Ich war für ein paar Wochen richtig «geflasht», zum Glück haben mich meine Schwester und meine Eltern rasch wieder aus meiner Erfolgsblase zurückgeholt und mir klar gemacht, worauf es wirklich ankommt, wo das wahre Leben stattfindet.

Schon als 10-Jährige hat Damaso eigene Gerichte entworfen.

Schon als 10-Jährige hat Damaso eigene Gerichte entworfen.

Dass jemand mit 19 Jahren ein Buch ganz nach den eigenen Vorstellungen herausbringt, ist ungewöhnlich. Woher hatten Sie das Selbstvertrauen dafür?
Ich war schon als Schülerin sehr eigenwillig und suchte meine eigene Version der Wahrheit. Als Zehnjährige lernte ich Englisch, indem ich auf Youtube amerikanische Talk-Shows schaute. In diesem Alter kochte ich auch die ersten Vier-Gang-Menus für meine Familie – inklusive handgeschriebenen Menukarten, Kerzen und passender Musik. Ich hatte wirklich schon in jungen Jahren meinen eigenen Kopf und die Eltern liessen mir viel Spielraum – dafür bin ich unheimlich dankbar. So konnte ich mich ganz darauf konzentrieren, Dinge so umzusetzen, wie sie für mich stimmten. Was andere dir beibringen, ist nie ganz dein Eigenes. Und im Eigenen steckt die Magie.

Wann begannen Sie sich für gesundes Essen zu interessieren?
Mit 16 Jahren ging ich für ein Austauschjahr nach Kanada. Als ich zurückkam, hatte ich gut zehn Kilo mehr auf den Rippen. Zurück im normalen Leben, fühlte ich mich nach einiger Zeit unwohl in meiner Haut. Mir war aber klar, dass ich keine Diät machen würde. So begann ich wieder mit Sport, was bis heute meine Form der Meditation geblieben ist, und verzichtete auf Weissmehl, raffinierten Zucker und Fertiggerichte; ich kochte nur noch mit frischen biologischen Zutaten. Weil ich sehr gerne fotografierte, veröffentlichte ich meine Experimente auf Instagram – ich wollte einfach die Freude teilen, die ich beim Kochen und Essen empfand.

Auf Reisen will Damaso möglichst viel über lokale Gerichte erfahren.

Auf Reisen will Damaso möglichst viel über lokale Gerichte erfahren.

In Ihrem zweiten Kochbuch stellen Sie Gerichte aus aller Welt vor. Was war geplant auf den Reisen, wie viel ist spontan passiert?
Ich habe innerhalb von neun Wochen zwölf Reisen absolviert. Geplant waren nur die Flüge und ein paar Übernachtungen im Hotel, alles andere habe ich dem Zufall überlassen. Ich bin eine gut organisierte Chaotin. Ich kann in kurzer Zeit sehr viel schaffen, aber ich mag keine starren Pläne und keine Wiederholungen. Für mein Reisekochbuch wollte ich nicht mit Spitzenköchen in Hotels reden, sondern zum Beispiel in Indien die Oma auf der Strasse fragen, ob wir zusammen ein Naan-Brot zubereiten können. Zudem sammelte ich die landestypische Musik und legte zu den Gerichten eine Song-Liste an, damit man beim Kochen ganz in diese Kultur eintauchen kann. Ich selber gehe beim Kochen immer intuitiv vor: Ich öffne meine Kanäle, lasse Farben, Gerüche und Klänge auf mich wirken und schöpfe dann aus diesem Strom der Inspiration. Jedenfalls kam ich mit 60’000 Fotos von meiner Reise zurück und destillierte aus diesem Material dann mein zweites Buch heraus.

Sie haben nicht nur rund 120’000 Bücher verkauft, sondern sind auch regelmässig am TV zu sehen und werben für verschiedenste Marken. Hatten Sie noch nie das Gefühl, zur Sklavin des eigenen Erfolgs zu werden?
Erfolg hat tatsächlich eine Eigendynamik, und wenn man nicht aufpasst, wird man rasch zu einer Kunstfigur. Wenn man 365 Tage auf allen Kanälen Gesundheit und Lebensfreude verkörpern will, geht das nicht lange gut. Ich habe zwar stets mehr Nein als Ja gesagt und sicher 95 Prozent der Werbeanfragen abgelehnt. Diesen Sommer musste ich aber nach drei Jahren Go-go-go einen Zwischenstopp einlegen, um mir wieder darüber klar zu werden, wer ich bin und was ich wirklich will. Mein Hauptziel ist nicht, Influencerin zu sein oder finanziell in kurzer Zeit ein Maximum herauszuholen, sondern Dinge zu tun, die mich glücklich machen und die Freude darüber zu teilen; ich will Menschen dazu inspirieren, sich in ihrer eigenen Haut wohl zu fühlen und das zu tun, was in ihnen lebt und bebt. Ich muss es nicht allen recht machen und darf auch mal eine Schwäche zeigen, Hauptsache, das Feuer brennt noch lange und ich werde meinen eigenen Ansprüchen gerecht.

Kontakt und Information
www.nadiadamaso.com oder nadia@nadiadamaso.com

Die Bücher
Eat better not less. Fona Verlag, Lenzburg 2015.
Eat better not less – around the World. AT-Verlag, Aarau 2017.

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