
Stefan Kropf fühlt sich im eigenen Sportgeschäft wohler als in Meetings mit Managern. Fotos: Adrian Moser
Stefan Kropf ist inmitten von Sportartikeln aufgewachsen und hat es in dieser Branche bis in die Chefetage von Puma geschafft. Doch nach zehn sehr erfolgreichen Jahren musste er sich eingestehen, dass der Job ihn aufgefressen hatte. Seit der 60-Jährige den Berner Laufladen 4feet führt, hat er wieder Zeit für Kunden und Sport.
Interview: Mathias Morgenthaler
Herr Kropf, Sie waren im Management der Weltmarken Puma und Intersport tätig und führen heute in Bern Ihr eigenes Geschäft, den Laufladen 4feet. Wie schwer war es für den Manager, wieder einzelnen Kunden in die Laufschuhe zu helfen?
STEFAN KROPF: Ehrlich gesagt hatte ich zu Beginn ein wenig Angst vor dem direkten Kundenfeedback. Als Manager rückte ich über Jahre immer weiter weg von der Kundschaft, bei Intersport verstand ich mit der Zeit manche Anliegen der einzelnen Sporthändler nicht mehr richtig, weil die Distanz zu gross geworden war. Und bei Puma schrieben wir nach der Jahrtausendwende eine gigantische Erfolgsstory mit hohen zweistelligen Wachstumsraten jedes Jahr, aber mein Leben spielte sich in Sitzungen, an Apéros und in Hotels ab, nicht im direkten Kundenkontakt. Wenn du aber in deinem eigenen Laden stehst und der Kunde dir sagt, dass dein Produkt nichts taugt, dann bist du ganz persönlich gefordert. Umgekehrt kannst du am nächsten Tag umsetzen, was dir am Vorabend in den Sinn kommt, was ein grosses Privileg ist.
Warum haben Sie ohne Not ihre Stelle als Geschäftsführer Schweiz bei Puma gekündigt auf Anfang 2008?
Starkes Wachstum erzeugt immer Begehrlichkeiten und Druck. Mein Schweizer Team war innert zehn Jahren von 16 auf 60 Mitarbeiter angewachsen. In der Zentrale forcierte der ehrgeizige Jochen Zeitz das Tempo. Mit der Zeit schauten die Manager mehr auf den Aktienkurs der Firma als auf die Kunden und Produkte. Ich stellte fest, dass ich formal zwar mächtiger wurde, in der Praxis aber immer mehr vom Mitunternehmer zum Politiker mutierte. Ich musste jeden Schritt rechtfertigen, begann, mich taktisch zu verhalten, mich abzusichern. Als dann noch die Euro 08 anstand, wo wir die beiden Gastgeberteams Schweiz und Österreich ausrüsteten und eine entsprechend wichtige Rolle hatten, plus der Bezug unseres neuen Prestigebaus in Oensingen direkt an der A 1 anstand, wurde mir bewusst, dass dieser Job mich auffrass. Jeder hatte ein Blackberry und musste für Firmenchef Zeitz rund um die Uhr erreichbar sein – es kam in diesen Jahren gar nie vor, dass ich nicht vorzeitig aus Familienferien abreiste wegen eines Meetings.
Was machte Ihnen klar, dass Sie die Notbremse ziehen müssen?
Ich ging gegen 50 zu, hatte zwar einen hohen Lohn und beruflich einigen Einfluss, war aber frisch getrennt und hatte weder Energie noch Zeit, selber Sport zu treiben. Ich verkörperte also eine Sport- und Freizeitmarke und war zum ersten Mal seit 40 Jahren kein Sportler mehr und hatte kaum Freizeit. Manchmal wünschte ich mir mitten in Meetings mit hoch dekorierten Managern, bei den alten Kollegen vom Turnverein oder aus der Laufgruppe zu sitzen und einfache, aufrichtige Gespräche zu führen. Als ich dann angefragt wurde, ob ich zusätzlich zur Schweiz auch noch das Österreich-Geschäft von Puma übernehmen möchte, wurde mir endgültig klar, dass es Zeit war für einen Neustart. Für mich führte der Weg zurück zu meinen Wurzeln, aber das wusste ich noch nicht, als ich bei Puma kündigte.
Sie kündigten ins Blaue hinaus?
Ja, als Manager hat man ja eine längere Kündigungsfrist und wird in der Regel freigestellt, von daher war das Risiko überschaubar. Und doch brauchte es Mut, das Bisherige loszulassen, ohne dass eine neue Aufgabe in Sicht war. Ich mietete mich bei meinem früheren Arbeitgeber Intersport ein, um die Kontakte in der Branche wieder zu intensivieren, und erhielt das frühere Büro des Intersport-Chefs Franz Julen. So führte ich im Übergangsjahr 2008 sehr viele Gespräche, lief endlich wieder über 3000 Kilometer in einem Jahr und half schliesslich, als Interim-Manager in Langenthal ein kleines Sport- und Orthopädiegeschäft aufzubauen. Der Besitzer des Geschäfts, ein Anwalt, war auch Inhaber des jungen Berner Ladens 4feet und fragte mich an, ob ich die Crew beraten würde. Dann starb er unerwartet mit 60 Jahren an einem Herzinfarkt, und ich wurde nicht Berater, sondern neuer Inhaber und Geschäftsführer bei 4feet.
Inwiefern war es eine Rückkehr zu den Wurzeln?
Mein Vater war ein Pionier in dieser Branche. Er führte in Wasen im Emmental ein Sportgeschäft, vielleicht das erste in einer so ländlichen Gegend. Er war da als gelernter Dekorateur einfach so reingerutscht, hatte sein liebstes Hobby zum Beruf gemacht und war mehr oder weniger rund um die Uhr für die Kunden da. So wuchs ich inmitten von Sportartikeln auf, fuhr wie meine Brüder bald Skirennen, kam aber nicht übers Regionalkader hinaus, weil ich selten zwei gute Läufe ins Ziel brachte. Gegen Ende meiner Schulzeit befand mein Vater, ich solle doch das KV machen, am besten bei Intersport in Ostermundigen. Ich war ein Träumer in dieser Zeit und folgte seinem Rat, ohne eine konkrete Vorstellung vom KV oder von Intersport zu haben. Bald merkte ich, dass das eine grosse Chance war. Intersport war eine Drehscheibe, da trafen sich internationale Markenvertreter, Lieferanten, Sporthändler, Verbandsmanager und auch die grosse Politik. Später, als ich Einkäufer war, wurde Adolf Ogi mein Chef. Er war schon Nationalrat damals, und die Bundesräte gingen ein und aus bei uns.
Welche Erinnerungen haben Sie an ihn?
Er bereitete damals sehr clever seine politische Karriere vor. Und er hat mir den schlimmsten Muskelkater meines Lebens beschert. 1982 stand die erste Durchführung des Grand Prix von Bern bevor, Ogi war OK-Präsident des 10-Meilen-Laufs durch die Berner Altstadt. Er empfing im Vorfeld einen Grafiker im Intersport-Personalrestaurant und trommelte spontan ein paar Leute zusammen, damit sie die verschiedenen Logo-Entwürfe beurteilen konnten. Dann sagte er in seiner verbindlichen Art, es würde sich gut machen, wenn ein paar von uns am Lauf teilnähmen. Ich dachte, diese 16 Kilometer seien keine grosse Sache, montierte einen ultradünnen Wettkampfschuh und lief in 1:06 Stunden ins Ziel. Aber die nächsten vier Tage konnte ich keinen Schritt gehen ohne höllische Schmerzen.
Sind sie auch in diesem Jahr dabei am GP Bern, und was raten Sie Anfängern?
Ja, ich werde wieder am Start sein. Nach der ersten Teilnahme schwor ich mir, nie mehr anzutreten, inzwischen komme ich auf über 30 Grand-Prix-Teilnahmen. Debütanten sollten unbedingt daran denken, dass die ersten 3 Kilometer entscheidend sind. Wer sich nicht sehr zurückhält den Aargauerstalden hinunter und auf den Pflastersteinen in der Altstadt, ist nach 5 Kilometern platt. Solche Dinge kann man im Training nicht simulieren und im Wettkampf spürt man zu spät, wenn man sich in der Euphorie zu sehr verausgabt. Deshalb sollte man sich unbedingt eine Marschtabelle vorbereiten und sich daran halten.
Der Laufsport boomt seit Jahren, gleichzeitig sind in Bern Traditionsgeschäfte wie Universal-Sport oder Vaucher verschwunden. Wie laufen die Geschäfte bei 4feet?
Wir sind sehr zufrieden und wachsen jedes Jahr moderat beim Umsatz und Gewinn. Entscheidend war, dass wir den Mut hatten, kein Vollsortiment anzubieten, sondern uns konsequent auf den Laufsport zu fokussieren. Und dass wir uns nicht als Verkäufer verstehen, sondern als Gesundheitsberater. Wir führen im Laden Gespräche von Läufer zu Läufer, sprechen über den Laufstil, die Trainingsumfänge, die Bedeutung der Erholung und vieles mehr. Da hat der stationäre Handel einen entscheidenden Vorteil gegenüber jedem Web-Shop. Deswegen kommt es nur äusserst selten vor, dass jemand in den Laden kommt und nach einer Beratung wieder rausgeht, um dann im Internet zu bestellen.
Gehört eine gute Marathon-Bestzeit noch ins CV eines Managers?
Die sehr leistungsorientierten Manager sind tatsächlich ein kaufkräftiges Kundensegment. Das grösste Wachstum gibts im Moment bei der Trail-Running-Community. Diese neue Generation von Bergläufern ist sehr qualitäts- und modebewusst, ähnlich wie in den Achtzigerjahren die Triathleten. Marken wie Salomon, La Sportiva oder Hoka wachsen stark in diesem Segment. Am wichtigsten sind für uns aber die Breitensportler, die nie einen Wettkampf bestreiten. Joggen ist heute salonfähig, es braucht sich niemand mehr zu schämen, unabhängig von Leistungsvermögen oder Figur. Mein Vater und seine Läuferkollegen mussten die Intervall-Läufe noch im Wald absolvieren, weil es sich nicht gehörte, in kurzen Hosen durchs Dorf zu rennen, als hätte man zu wenig zu tun.
Information und Kontakt: [email protected] oder www.4feet.ch
Ich habe grosse Achtung von Leuten wie Herrn Kropf, die den Mut und die Einsicht aufbringen, aus dem kräfteverschleissenden Top-Management auszusteigen und anderen Lebenswerten als Status und Boni den Vorrang zu geben. Leider gibt es davon viel zu wenige.
Toll! Chapeau! Habe grossen Respekt vor diesem Mann!