
Marcel Bangerter arbeitete sich aus einfachen Verhältnissen ins Investmentbanking hoch, dann warf ihn eine Krankheit aus der Bahn.
Als Kind handelte er mit T-Shirts, später als Investmentbanker mit Millionenbeträgen. Und nachdem Marcel Bangerter als Abzocker ins mediale Rampenlicht geraten war, stand plötzlich sein Leben auf dem Spiel. Der 44-Jährige überwand die schwere Krankheit und importiert nun hauptberuflich die Frucht, die zum Symbol für sein zweites Leben wurde.
Interview: Mathias Morgenthaler
Herr Bangerter, wie sind Sie vom Investmentbanker zum Granatapfel-Importeur geworden?
MARCEL BANGERTER: Ich hatte schon als Kind eine unternehmerische Ader. Ich arbeitete auf dem Bauernhof nebenan und ging mit der Mausefalle auf die Pirsch, um mir mein erstes Töffli zu verdienen. Später, als Fünftklässler, kaufte ich in London, wo die Familie meiner Mutter lebte, T-Shirts bekannter Rockbands und verkaufte sie im Berner Oberland mit 10 Franken Marge an Kollegen. So gesehen war ich schon ein Händler, bevor ich zur Bank kam. Ich fand das wahnsinnig aufregend, wie man Geld verdienen konnte, indem man zwei Parteien zusammenbrachte. Das war so viel verlockender als die Arbeitswelt meiner Eltern, die eine Bäckerei führten. Sie mussten um 2 Uhr in der Nacht mit der Arbeit beginnen und hatten auch am Samstag wenig Zeit.
Für Sie war klar: Lieber Banker als Bäcker?
Ja, ich sah die Bank als Sprungbrett, wollte gut verdienen und vor allem die weite Welt sehen. Als 14-Jähriger hatte ich meine Lehrstelle bei der Bankgesellschaft auf sicher, mit 19 wurde ich Junioren-Anlageberater, dann erlebte ich als Ringtelefonist die Händler am Börsenring, die damals den Status von Halbgöttern hatten und sich auch so benahmen. Ich lernte rasch alle Sparten kennen, die Aktien, die Bonds, die Devisen, und mit 24 Jahren handelte ich mit Millionenbeträgen und verdiente in einem Jahr mehr, als mein Vater jemals verdient hat. Im Gegensatz zu vielen Kollegen kaufte ich mir damals keinen Porsche, sondern bildete Reserven, weil ich wusste, dass wir alle im Schleudersitz sassen. Aber allzu viel hinterfragte ich nicht. Es war Action pur und ich wollte aufsteigen. Als ich 26-jährig war, warb mich die Deutsche Bank bei der UBS ab, ich war fortan als einziger Schweizer auf dem grossen Handelsfloor in London tätig und hatte den Auftrag, fünf bis zehn Millionen Franken Buchgewinn pro Jahr für die Bank zu erzielen.
Sie kehrten dann der Liebe wegen nach Zürich zurück. Lernten Sie da die Schattenseiten des Berufs kennen?
Ich kam mir vor wie ein Fussballer, der kaum spielen darf. Ich hielt mich ein Jahr lang ruhig, um den Bonus in der Höhe eines zusätzlichen Jahresgehalts zu bekommen und meinen Marktwert zu halten, aber ich war unzufrieden, weil die Arbeit bei der kleinen Zürcher Bank deutlich weniger spannend war als in London. Nach einer längeren Reise kehrte ich nochmals zur Deutschen Bank in den Handel zurück und stieg schliesslich bei der Credit Suisse in den Optionen-Verkauf ein. Dort hatte ich eng mit vermögenden Privatkunden und institutionellen Kunden zu tun, was spannender war als der recht abstrakte Handel. Ich konnte jederzeit in den Spiegel schauen, aber ich hatte zunehmend Mühe mit der Selbstbedienungsmentalität in der obersten Chefetage. Natürlich war es mir auch wichtig, gut zu verdienen, aber ich reizte das nicht aus – mehrfach sagten mir Kollegen, ich sei eigentlich zu sozial eingestellt für diese Branche. Ich bedankte mich immer nach den Bonusgesprächen bei meinem Chef. Ansonsten war das Klima in dieser Bonuszeit von Unzufriedenheit und Neid geprägt; ich fühlte mich wie unter Drogenabhängigen, die nie genug bekommen von ihrem Suchtmittel.
Und dann wurden Sie unversehens zum Symbol für die schamlose Abzockerei.
Ja, zu Beginn der Bankenkrise 2008 kam eine TV-Crew vorbei und filmte uns für einen Beitrag im Nachrichtenmagazin «10vor10» bei der Arbeit. In der Folge wurden unzählige Berichte über Bonus-Exzesse und Abzocker-Banker mit meinem Kopf illustriert. Ich musste buchstäblich den Kopf hinhalten für alles, was in unserer Branche schiefgelaufen war, und erhielt nach jeder Sendung Dutzende von SMS-Nachrichten. Die Identifikation mit der eigenen Arbeit wurde schwieriger, auch wenn bei weitem nicht alles schlecht war. Vier Jahre später, im Dezember 2011, wurde das alles aber auf einen Schlag komplett unwichtig. Da sorgte ich mich nicht mehr um das Image meines Berufsstands, sondern fragte mich, ob ich das nächste Jahr noch erleben würde.
Was war passiert?
Es begann mit einem Reizhusten, den ich lange Zeit ignorierte, steigerte sich in allgemeine Erschöpfung bei erhöhtem Puls und gipfelte nach vielen Abklärungen darin, dass man einen Tumor in der Grösse einer Kartoffel in meiner Brust fand. Die Ärzte sagten mir, beim vorliegenden Non-Hodgkin-Tumor lägen meine Überlebenschancen bei 70 Prozent. Da wurde mir klar: Das ist die erste wirklich wichtige Prüfung in meinem Leben, da ist durchfallen keine Option – ich wollte für meine Frau und meine zwei kleinen Kinder da sein. Zum Glück sprach ich sehr gut auf die erste Chemotherapie an, und schon nach der vierten Chemo-Sitzung war der Tumor verschwunden. Nach dem Abschluss der Therapie sagte der Onkologe zu mir: «Sie will ich hier nie mehr sehen – machen Sie es besser als die anderen und machen Sie sich nicht selber verrückt.» Ich verstand erst mit der Zeit, was er damit meinte. Es ist nicht einfach, sich nicht von der Angst lähmen zu lassen, dass der Krebs zurückkehrt.
War der krankheitsbedingte Unterbruch für Sie eine Zäsur?
Ja und nein. Ich konnte nach einem halben Jahr wieder an meinen Arbeitsplatz bei der Credit Suisse zurückkehren. Mein Big Boss, der mehrere Hundert Leute führt, hatte mich zu Hause besucht und sich von einer sehr emotionalen Seite gezeigt. Ein schwerreicher Kunde schrieb mir, ich könne ihn rund um die Uhr erreichen, er sei für mich da. Ich erlebte sehr viel Positives in dieser schwierigen Zeit und konnte nach meiner Rückkehr sogar 80 Prozent arbeiten, was im Investment Banking sonst undenkbar war. Aber es gab eine neue Passion in meinem Leben. Während der Behandlung hatte ein Onkologe mir geraten, viel Granatäpfel zu essen, das stärke das Immunsystem, stabilisiere die Verdauung, senke den Blutdruck und unterstütze die Heilung. Ich hielt mich an seinen Ratschlag und entdeckte diese wunderbare Frucht, die für mich bald zum Symbol für ein zweites, geschenktes Leben wurde. Und so nutzte ich den einen freien Tag pro Woche, um selber Granatapfelprodukte zu importieren und im Bekanntenkreis zu vertreiben.
Kein Business, das einem Investment Banker glänzende Augen beschert, oder?
Meine Prioritäten hatten sich verändert. Durch die zwischenzeitliche Erkrankung achtete ich viel stärker auf gesunde Ernährung und Entspannung. Auch wirtschaftlich war die Sache nicht uninteressant: Ich fand einen indischen Partner, der die hochwertige Granatapfelsorte Baghwa anbaut und bei den Arbeitsbedingungen keine Kompromisse macht. Er beschäftigt 600 Frauen aus bäuerlichen Verhältnissen, die sonst keine Erwerbsarbeit finden würden, hat ein Transportsystem für die Frauen und einen Fonds für Härtefälle eingerichtet. Deshalb macht es für mich einen Unterschied, ob ich als Trader bei der Bank tätig bin oder mit Granatapfelprodukten handle: Im ersten Fall gibt es immer einen Verlierer auf der anderen Seite, wenn ich Gewinne mache, im zweiten Fall gewinnen alle Parteien…
…ausser der Umwelt. Man kann sich fragen, ob es sinnvoll ist, Granatäpfel von Indien in die Schweiz fliegen zu lassen.
Ja, dieser Einwand gilt für alle exotischen Früchte, die rasch verderben. Ich habe den Eindruck, dass hier die Vorteile überwiegen. Granatapfelkerne sind sehr bekömmlich und gesund, die Nachfrage steigt weltweit und im Anbaugebiet profitieren Hunderte von Leuten, die jede Einkommensquelle brauchen können. Aber ich erlebte das Gleiche wie fast alle Start-up-Unternehmer: Es dauert alles viel länger, als man denkt. Ich startete gut, fand in Hiltl, Hitzberger und Denner erste Kunden, aber es dauerte 2,5 Jahre, bis ich mein Ziel, mehr als eine Tonne pro Woche zu importieren, erreichte. Nun habe ich es dank hartnäckigem Verkauf ins Sortiment der Migros-Genossenschaften Migros Aare und Zürich geschafft und komme auf einen soliden Monatsumsatz. So konnte ich mir in den letzten Monaten einen bescheidenen Lohn auszahlen. Wenn ich das Volumen verdoppeln oder verdreifachen kann, ist es auch wirtschaftlich ein solides Geschäft. Um das zu schaffen, erweitere ich die Produktepalette und nehme Kurs auf den EU-Markt.
Seit einem Jahr sind Sie Vollzeitunternehmer. Trauern Sie den Arbeitsbedingungen bei der Bank gar nicht nach?
Ich bin dankbar für das, was ich in der Finanzbranche gelernt habe. Natürlich ist das hier ein riskantes Unterfangen – ich fühle mich, als würde ich mit 44 Jahren eine zweite Lehre absolvieren auf eigene Kosten. Aber es tut gut, in eigener Sache zu entscheiden. Und meine Kinder, die inzwischen 6- und 8-jährig sind, verstehen jetzt auch, wie ihr Papa sein Geld verdient. Sie mögen die Produkte und sind mit ihren zweiten Vornamen sogar im Markennamen verewigt. Die viele Zeit, die ich mit ihnen verbringen kann, ist ein unbezahlbarer Luxus. Sie hilft mir, gelassener und mehr im Moment zu leben. Okay, ich habe noch nicht das Level meiner Frau erreicht – sie findet manchmal, so viel hätte ich nicht gelernt durch die Krankheit. Aber ich bin heute ein anderer und versuche, die Gegenwart viel intensiver zu geniessen.
Kontakt und Information: www.zoe-ray.ch oder info@zoe-ray.ch
Eine schöne Geschichte, fast wie ein Märchen. Könnte von einer PR Agentur stammen. Ich wünsche Herrn Bangerter alles Gute.
Spannender wäre zu lesen wie es den gewiss tausenden seiner früheren Arbeitskollegen ergangen ist welche die Kurve nicht so elegant gekriegt haben. Könnte vielleicht bei einigen die Lust auf Gier rechtzeitig zügeln helfen.
Sich “vom Bäcker zum Investmentbanker hocharbeiten” ist vielleicht nicht so gemeint, wie es geschrieben wurde, zeugt aber von einer antiquierten Sichtweise auf das Thema Berufung, Karriere, Lebenssinn etc.. Da wäre meines Erachtens ein wenig mehr Sorgfalt in der Schreibweise angebracht.
Diese Geschichte stammt nicht aus einer PR Agentur, dies kann ich Ihnen persönlich bestätigen.
Ich wünsche Ihnen auch alles Gute!
Vielen Dank für Ihrem Kommentar.
Freundliche Grüsse
Marcel Bangerter
Dear Mr. Bangerter, read your story with admiration. In the context of cancer and growing fruits may I inform you as follows:
1. Cancer – my prostate cancer was completely eradicated by the Budwig Diet, taking it twice a day. Now I continue taking it once a day as breakfast as prevention for reoccurrence. Chemo can eradicated a tumor but the danger of reoccurrence in other places is quite big. If you like I can send you the presentation of my case with details of preparation.
2. For the plantation of your fruits I recommend CalsiFert, a 100% natural mineral, applied as foliar plant nutrient…
Deatails you will find in the website http://www.calsifert.com The plantations and farmers using it enjoy up to 60% higher yield, premium quality and a longer shelf life of the produce. Not having to use pestcides in sum they double their income. Will be glad to send you details. Best regards, wolfvzm@gmail.com
Zu Ihrem Glück haben Sie die Bodenhaftung trotz Ihrer Fähigkeiten und hohen Ambitionen nicht ganz verloren wie so manche Finanzmenschen mit Dollaraugen, die v.a. dem Geld nachjagen.
Ich gestatte mir einen Hinweis auf Pomegranadeproduzenten in Meghri im Süden Armeniens, welchen die schweizerische Entwicklungszusammenarbeit (EZA) auf die Beine geholfen haben (ausgezeichnete Früchte), zu erreichen über http://www.card.am (die CARD Foundation ist eine solide NGO in Yerevan).
Überhaupt: die EZA hat in vielen Ländern Bauernfamilien geholfen, Ihre Produkte verbessern und profitabler verkaufen zu können.
ich kann den werdegang und die überlegungen sehr gut nachvollziehen. auch ich war über 30 jahre im bankgeschäft tätig, jetzt seit 10 jahren in privatwirtschaft vermögensverwaltung. was für eine andere welt. ich kenne viele banker, die den ausstieg aus der bankbranche sich wüschen, weil einfach zu grosser druck, zu kaltes klima zwischenmenschlich, zu wenig anerkennung, banken sind verkäufer und keine sozialen berater. non-mainstreeam unter derkursstimmt .meistens passieren die gebühren indirekt und der normal-kunde sieht dies nicht.kunden sind kreditgeber und keine echten kunden der bank.
Selbstbedienungsmentalität der “oberen” ankreiden aber wie selber zugegeben auch einfach zugreifen wenns passt und noch ein bonus in höhe Jahressalär mitnehmen…….
Dazu kann ich nur sagen: Bravo – ich gratuliere aus ganzem Herzen für diese “Kehrwende”. Es ist kein leichter Weg sich neu zu organisieren, doch ich frage mich immer wieder: muss erst eine schwere Krankheit kommen, bis man erkennt, dass das Leben ein Ablaufdatum hat.
Ich weiss wie schwierig es ist Menschen zum anders denken zu animieren. Ich versuche dies bereits seit einigen Jahren, doch die Kommentare lauten jeweils: keine Zeit, diese oder jene Aktivitäten wichtige. Sich auf sich selbst besinnen, zu erfahren, was wirklikch wichtig ist, erfährt man nur, wenn man sich in die Stille…