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«Wenn die Ausrichtung klar ist, ergibt sich vieles ganz leicht»

Mathias Morgenthaler am Samstag den 23. Juli 2016
Simone Züger, Designerin und Art Direktorin mit Studio in Zürich. Foto: Christine Benz Photography

Simone Züger, Designerin und Art-Direktorin mit Studio in Zürich. Foto: Christine Benz Photography

Simone Züger unterstützt als Designerin und Art Direktorin ihre Kunden darin, visuell klare Botschaften auszusenden. Ihre Arbeit sei eng verbunden mit der eigenen Identitätssuche, sagt die 30-jährige Appenzellerin mit Studio in Zürich. So habe sie trotz ausgeprägtem Sicherheitsbedürfnis gelernt, ihren eigenen Weg zu gehen, ihrer Intuition zu vertrauen und maximal unabhängig zu sein.

Interview: Mathias Morgenthaler


Frau Züger, wie sind Sie Designerin und Art-Direktorin geworden?

SIMONE ZÜGER: Das hat sich schon in meiner Kindheit abgezeichnet. Ich war das dritte von vier Kindern, und wenn meine Geschwister laut wurden, zog ich mich zurück, zeichnete und spielte mit imaginären Freunden. Ich war ein sehr stilles, verschlossenes Kind. Ich brauchte das Zeichnen, um die Welt um mich herum zu verstehen und ein Gefühl dafür zu entwickeln, wer ich bin. Die Kommunikation über das Wort habe ich erst viel später für mich entdeckt.

Wie hat sich das Gestalten vom privaten Bedürfnis zum Beruf weiterentwickelt?

Mein Interesse an Kunst und Gestaltung gab die Richtung vor. Ich spürte aber auch die Verpflichtung, etwas Handfestes, Nützliches zu tun. Meine Freundinnen waren sehr rational unterwegs, eine ist angehende Anwältin, die andere Psychologin. Mein Vater war und ist Bauingenieur, meine Mutter hatte den Traum von der Floristinnen-Lehre früh begraben müssen, weil sie als eines von 12 Kindern auf dem Bauernhof mithelfen musste. So entschied ich mich für das Studium der Visuellen Kommunikation, das viel Raum für Kreativität bot und gleichzeitig in der Wirtschaft eine etablierte Disziplin war.

Wo haben Sie erste Arbeitserfahrung gesammelt?

Ich arbeitete zunächst beim Designer Jonas Voegeli, von dem ich sehr viel über Typografie und Buchgestaltung lernte. Sehr prägend war danach ein Praktikumsaufenthalt in einer Agentur in New York. Das war eine doppelte Befreiung: zum einen, weil ich zum ersten Mal weit weg von meinem Umfeld war und mich dadurch weniger einschränkte in dem, was ich tat; zum anderen, weil ich in den USA eine ganz andere Designsprache kennen lernte. Die Schweiz ist bekannt für ihre hervorragenden Schriftgestalter, für klares, nüchternes, nie überladenes Design. In den USA habe ich eine viel offenere, buntere, wildere Design-Szene kennen gelernt, die der Intuition mehr Raum lässt. Durch Projekte für das Museum of Modern Art (Moma) und grosse Modeschau-Anlässe hat sich mein Arbeitsspektrum stark erweitert. Da hat sich mir eine neue Welt eröffnet.

Was konnten Sie davon mit in die Schweiz nehmen?

Die Zeit in New York prägt mich bis heute, sie hat meine Arbeit um eine spielerische Komponente erweitert. Zurück in der Schweiz interessierte ich mich zunehmend für die Markengestaltung und nahm deshalb eine Stelle bei einer klassischen Branding-Agentur in Zürich an. Diese Arbeit war eng verbunden mit meiner Identitätssuche. Wer bin ich heute? Wer will ich werden? Wie werde ich sichtbar und mache ich mich verständlich? Diese Fragen sind für Einzelpersonen und Unternehmen essenziell. Die Arbeit als Brand-Designerin in einem Team war spannend, aber ganz frei ist man nie in der Umsetzung seiner Ideen, wenn man für eine grössere Agentur arbeitet. Ich entschloss mich deshalb, die Stelle zu kündigen und mich selbstständig zu machen – auch eine saftige Lohnerhöhung konnte mich nicht davon abhalten.

War es so nicht viel schwieriger, gute Aufträge zu erhalten?

Die grösste Gefahr ist nicht, keine Aufträge zu erhalten, sondern die falschen Aufträge anzunehmen. Mein Freund, ebenfalls ein Designer, hat mich zum Glück ermutigt, mich nicht unter Wert zu verkaufen und nur mit Kunden zusammenzuarbeiten, die gutes Design schätzen. Das setzt allerdings voraus, dass man sich selber genügend Wertschätzung entgegenbringt und weiss, was man kann und mit Leidenschaft macht. Mir war es immer wichtig, meine Analysefähigkeit, mein Einfühlungsvermögen und die Kreativität einbringen zu können, also die Dinge neu zu sehen, sie aus einem anderen, überraschenden Blickwinkel zu betrachten.

Sie sehen sich also nicht nur als Dienstleisterin in einem klar definierten Rahmen?

Ich habe die Ambition, Design mit einer künstlerischen Komponente zu machen. Das geht nicht ohne Freiraum. Der Kunde muss mir genug Freiraum und Vertrauen geben, damit etwas Eigenständiges entstehen kann. Und ich selber muss mir den Freiraum schenken, immer wieder zweckfrei an eigenen Projekten zu arbeiten, die ich niemandem in Rechnung stellen kann. Ich hatte zwar früh schon ein starkes Bedürfnis nach Unabhängigkeit und Freiraum, aber mein ebenfalls ausgeprägtes Sicherheitsbedürfnis hielt mich lange davon ab, meinen eigenen Weg zu gehen. Heute kann ich gut damit leben, nicht zu wissen, womit ich in vier oder sechs Monaten Geld verdienen werde.

Wie sind Sie so weit gekommen?

Ich habe während meiner Yoga-Ausbildung gelernt, dass Absicherung oder Verbissenheit mich nicht weiterbringen. Ich lernte, mich und meine Umgebung besser zu verstehen, besser auf meine Intuition zu hören. Wenn die Dinge im Fluss sind, bin ich auf dem richtigen Weg. Wenn sie ins Stocken geraten, ist es Zeit, etwas zu verändern. Es ist wichtig, aufmerksam zu beobachten, wo sich eine gute Energie entwickelt. Und dann bewusste Entscheidungen zu fällen. Das ist nicht in erster Linie eine Kopfsache, nichts Plan- und Messbares; alles beginnt damit, den ersten Schritt zu machen und sich davon überraschen zu lassen, wie sich die Perspektive verändert und welche Türen sich öffnen. Von Hilde Domin gibt es diesen wunderbaren Satz «Ich setzte den Fuss in die Luft und sie trug.»

Sie vertrauen also darauf, dass im richtigen Moment die passenden Dinge auf Sie zukommen?

(lacht) Ja, in dieser Hinsicht bin ich sehr fatalistisch geworden. Es bringt nichts, etwas erzwingen zu wollen gegen unzählige Widerstände. Wenn die innere Ausrichtung klar ist, ergibt sich vieles ganz leicht. Natürlich bleiben auch Zweifel und Unsicherheit als Begleiter, da hilft der Austausch mit anderen Selbstständigen sehr. Ich habe deshalb ein monatliches Treffen mit anderen Frauen aus der Kreativwirtschaft lanciert unter dem Motto «Ladies, Wine & a bit of Design – Zurich». Überhaupt ist die Vernetzung enorm wichtig. Ich arbeite projektweise mit anderen Partnern zusammen und schliesse mich auch mal punktuell mit einer Agentur zusammen. Aber in der Ausrichtung und bei grundlegenden Fragen bin ich komplett frei in meinen Entscheidungen. Jedes neue Projekt ist ein Wagnis. Wenn es zu einem Erfolg wird, ist die Befriedigung umso grösser.

Können Sie das konkretisieren?

In letzter Konsequenz geht es immer darum, nicht einfach Erwartungen zu erfüllen, sondern etwas Eigenes, Emotionales zu schaffen, das andere und mich berührt. Das ist nicht mit Selbstbezogenheit zu verwechseln, natürlich ist es wichtig, sich in die Welt des Kunden versetzen zu können. Aber das bedeutet nicht, sich im kreativen Prozess einzuschränken. Je öfter die Luft trägt, wenn man seinen Fuss in sie setzt, desto stärker wird das Vertrauen in die eigene Intuition.

Wie sieht Ihr Traumauftrag aus?

Egal ob aus dem kulturellen oder kommerziellen Bereich, der Auftraggeber soll mutig sein und stolz auf sein eigenes Produkt. Das können leidenschaftliche Köche sein, die ihre Produktelinie durch eine eigenständige Verpackung auf den Markt bringen, oder Verleger hochwertiger Buch-/Magazinprojekte. Reizen würde mich die Gestaltung eines Ziffernblatts für eine Uhrenmarke sowie deren Inszenierung auf dem Markt. Oder die konzeptionelle Arbeit sowie die Gestaltung der Prints für eine Kleider- oder Möbelmarke. Gutes Design hat die Kraft, ein Produkt zu einem Objekt der Begierde zu veredeln.

Kontakt und Information:

[email protected] oder www.simonezueger.ch

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2 Kommentare zu “«Wenn die Ausrichtung klar ist, ergibt sich vieles ganz leicht»”

  1. irene meienberg sagt:

    Toll! Super toll! Vielen Dank! Wie allen ehrlichen, kreativen und friedvollen Menschen wünsche ich Ihnen Frau Züger und Herr Morgenthaler viel Glück und Zufriedenheit. Beste Grüsse. I.M.

  2. Kleist sagt:

    Was hier eben nur angetönt, nicht aber gesagt wird: Lebt die Dame vom Beruf oder ist sie dafür nicht zuständig. Das Interview ist sehr verschwommen und blendet die ökonomische Seite wortreich aus. Von Umsätzen etc. steht nichts.