Die Erfolgsgeschichte von Premium Cola begann mit einem Ärgernis. Uwe Lübbermann fühlte sich als Kunde eines Cola-Produzenten übergangen und beschloss, es besser zu machen. In der Organisation, die er aufbaute, verdienen alle gleich viel, es gibt keine Verträge und entschieden wird strikt konsensdemokratisch. Mitreden können nicht nur die Angestellten, sondern auch Lieferanten und Kunden.
Interview: Mathias Morgenthaler
Herr Lübbermann, wie sind Sie zum Gründer von Premium Cola geworden?
UWE LÜBBERMANN: Ich mutierte vom Cola-Konsumenten zum Cola-Produzenten. Eines Tages stellte ich fest, dass meine Lieblingscola anders schmeckte und ich nicht mehr wach wurde davon. Ich fand heraus, dass die neuen Besitzer der Marke Afri Cola heimlich das Rezept geändert und den Koffeingehalt deutlich reduziert hatten. Die Kunden sollten das einfach so hinnehmen – und im Hinnehmen war ich noch nie besonders gut. Ich suchte den Dialog mit den Herstellern, lancierte eine Internetseite, damit enttäuschte Kunden gemeinsam Druck auf die Firma machen konnten. Nach zwei Jahren war mir klar, dass die Manager nicht von ihrem hohen Ross herunterkommen würden, da sie die Kunden offensichtlich nicht als gleichberechtigte Partner betrachteten.
Andere hätten sich einfach von der Firma abgewendet und nach einer Alternative gesucht. Warum wollten Sie es selber besser machen?
Es war kein bewusster Entscheid, Unternehmer zu werden. Ich erhielt einen Hinweis, dass ich das Rohprodukt auch als Einzelperson bestellen konnte. Ich begann mit 1000 Flaschen und brachte diese in der Community in Umlauf. Die Menge wuchs rasch und es stellten sich erste Fragen: nach dem Preis, nach der Organisationsform, nach Partnern in Vertrieb und Buchhaltung. Bald stand nicht mehr das Produkt im Vordergrund, sondern die Idee einer anderen Form von Zusammenarbeit. Und damit die Frage: Welches Menschenbild leitet uns eigentlich bei unseren Entscheidungen? Für mich ist die Gleichwertigkeit von Menschen der zentrale Treiber.
Was bedeutet das konkret?
Zum Beispiel, dass wir alle den gleichen Lohn beziehen: 18 Euro pro Stunde. Das gilt für mich als Gründer und Besitzer ebenso wie für unsere Spediteure oder die Buchhalterin – alle, die wir direkt bezahlen. Es gibt allerdings Ausnahmen: Mitarbeiter mit Kindern und solche mit einer Behinderung verdienen mehr, weil sie im Alltag mehr Geld brauchen.
Sind Sie denn zufrieden mit 3000 Euro brutto pro Monat?
Ja, ich halte mich für einen reichen Mann. Ich habe ein Dach über dem Kopf, ein Fahrrad, einen vollen Kühlschrank, ein Bahnabonnement und ein Auto, das ich brauchen kann für Transporte. Zudem bin ich versichert und kann etwas beiseite legen für die Zukunft. Von 3000 Euro brutto kann man in Hamburg gut leben. Es ist eine Illusion zu glauben, mehr wäre in jedem Fall besser. Ab einem gewissen Niveau bringt mehr Geld keinen Zuwachs an Zufriedenheit mehr. Bekannt ist hingegen, dass die Spannungen zunehmen bei hohen Einkommensunterschieden. Und Umwelt-Ressourcenverschleiss auch. Zudem ist es eine kurzsichtige Betrachtung, den Lohn auf den Betrag zu reduzieren, den man monatlich erhält. Der Lohn meiner Arbeit ist viel grösser als diese 3000 Euro.
Was rechnen Sie zusätzlich mit ein?
Es gibt für mich mindestens vier weitere Dimensionen: die Stabilität – dass ich nicht von einem Kunden oder Arbeitgeber abhängig bin; die Freiheit, selber zu entscheiden, was wo, wie und wie viel ich arbeiten möchte; die Sinnkomponente – also das gute Gefühl, etwas zu tun, was für mich und die Gesellschaft Sinn macht. Und als fünftes die Reichweite meiner Ideen. Ich habe als Unternehmer mit Premium Cola in den letzten Jahren Hunderte von Referaten gehalten, andere Firmen haben unser Modell der Konsensdemokratie ganz oder teilweise übernommen. Ich will mithelfen, dass sich die Wirtschaft verändert, weg vom Kapitalismus, der die Schwachen ausnutzt und auf ihrem Buckel Profite macht, hin zu mehr Partizipation und Kooperation. Hier etwas bewegen zu können, ist für mich viel wertvoller als ein hoch bezahlter Managementjob ohne Handlungsfreiheit.
Was unterscheidet Ihr Unternehmen denn von klassisch organisierten Firmen?
Die Gemeinsamkeiten wären schneller aufgezählt als die Unterschiede, aber ich versuchs trotzdem. Das Unternehmen beinhaltet für mich nicht nur jene Leute, die direkt angestellt sind, sondern alle 1680 involvierten Partner, also auch die Rohstoffproduzenten, die Zulieferer, die Zwischenhändler, die Spediteure und Gastronomiepartner, die Etikettendrucker, Buchhalter, Informatiker. Ich habe in 14 Jahren keinen einzigen Vertrag ausgestellt, um die Zusammenarbeit zu regeln, und dennoch oder gerade deshalb hatten wir keinen einzigen Rechtsstreit. Das hängt damit zusammen, dass wir nicht hierarchisch, sondern nach dem Prinzip der Konsensdemokratie funktionieren. Alle Partner und interessierten Kunden werden über Veränderungen informiert und können sich einbringen.
Ist das nicht furchtbar zeitraubend und mühsam?
Das fragen mich alle, und ich antworte immer: Zu Beginn ist es aufwendig, aber dann zahlt es sich rasch aus. Entscheidungen haben bei uns klassischerweise eine Vorlaufzeit von ein bis drei Wochen. Ich kenne viele hierarchisch organisierte Unternehmen, in denen es Monate bis Jahre dauert, bis ein Entscheid gefällt wird. Und oft kommt dann ein neuer Manager und krempelt alles wieder um. Wir geben die Themen in eine breite Diskussion, an der sich jeder beteiligen kann, der schon einmal eine Flasche Premium-Cola getrunken hat und sich mit seinem Namen im Online-Board registriert. Nach ein bis zwei Wochen macht jemand einen Beschluss-Vorschlag – oft bin das ich in meiner Rolle als zentraler Moderator. Da haben nochmals alle ein Veto-Recht, wobei Schweigen als Zustimmung gedeutet wird. Von den 1680 Partnern bringen sich gut 150 regelmässig ein, pro Thema sind es 10 bis 15. Alle andern wissen, dass sie diese Möglichkeit haben und nicht einfach über ihre Köpfe hinweg etwas entschieden wird.
Gelingen denn auf diesem basisdemokratischen Weg immer Einigungen ohne Opposition?
Es gab in 14 Jahren zwei Fälle, in denen keine Einigung zustande kam und schliesslich die Produktion gefährdet war. Alle anderen Beschlüsse klappten wunderbar im Konsens. In den beiden Fällen griff ich auf das Instrument der Notentscheidung zurück. Wir haben die Machtstrukturen ja nicht komplett abgeschafft, sondern bloss beiseite gelegt, weil wir sie im Normalfall nicht brauchen. Als wir uns aber über längere Zeit nicht einig wurden, welcher Slogan auf der Etikette stehen soll, liess ich ausnahmsweise die Mehrheit entscheiden. Nun steht da «Deine korrekte Cola aus kollektiver Überzeugung und Leidenschaft». Ich persönlich finde das furchtbar, aber meine Meinung ist nicht so wichtig. Sie sehen, ich kann schon entscheiden als Führungskraft. Aber mein Ziel ist, dass das möglichst selten nötig ist, denn wenn ich ein Machtwort sprechen muss, ist das immer ein Indiz, dass vorher einiges schief gelaufen ist.
Information und Kontakt:
Teil 2 des Interviews
erscheint in einer Woche an dieser Stelle.
Wow, super!!
Schluckt das, ihr “Manager”!
Da muss die Wirtschaft hin, dann wird sie zur Wohlfahrt.
Auf tausend Jahre Frieden, Freude und Eierkuchen statt Krieg (in seinen vielen Formen).
Schlussendlich werden wir alle so werden müssen, wie er es eben ist! Es kann nicht sein, dass ein Bänkler Fr. 300 000.– verdient und Krankenpfleger nur Fr. 60 000.–.
18€ die stunde hätt ich auch gern!