Frische Crevetten aus Schweizer Zucht statt gefrorener Krustentiere aus Übersee: Seit fünf Jahren arbeitet Rafael Waber mit einem kleinen Team auf dieses Ziel hin. Nun gilt es ernst: Im solothurnischen Luterbach gedeihen erste Crevetten in einer Testanlage, die Auswahl des Industriepartners und der Bau einer grossen Anlage stehen bevor. In drei Jahren will die Swiss Shrimp AG 30 Tonnen produzieren.
Interview:
Mathias Morgenthaler
Herr Waber, wie kamen Sie auf die verrückte Idee, in der Schweiz eine Crevettenzucht zu betreiben?
RAFAEL WABER: So verrückt ist das gar nicht angesichts der 9000 Tonnen Crevetten, welche die Schweizerinnen und Schweizer pro Jahr essen. Wer sagt denn, dass wir all diese Tiere tiefgefroren aus Asien oder Südamerika importieren müssen? Es spricht viel für eine Aufzucht in der Schweiz. Meine Idee war das allerdings nicht. Die Geschichte von Swiss Shrimp begann damit, dass Thomas Tschirren, ein passionierter Taucher, während seines Urlaubs in Thailand sah, unter welch prekären Bedingungen dort Shrimps produziert wurden. Bei der Recherche erfuhr er von Zuchtbetrieben in Holland und Deutschland, also lag der Gedanke nahe, ein ökologisches Projekt in der Schweiz zu lancieren.
Und Sie waren sofort begeistert von seiner Idee?
Nein, ich fand sein Vorhaben zuerst etwas verrückt. Aber da ich süchtig bin nach unternehmerischen Projekten, wollte ich herausfinden, ob die Idee wirtschaftlich eine Chance hat. Mein Kindergartenfreund Michael Siragusa war als Chemiker prädestiniert dafür, sich um die Details der Produktion zu kümmern. Ein weiterer Freund, ein Landwirt, wollte das Land zur Verfügung stellen für die Produktion. So kam eins zum anderen. 2008 führten wir erste Gespräche, ab 2010 trafen wir uns 14-täglich zu Sitzungen, 2013 gründeten wir eine GmbH, ein halbes Jahr später eine AG, um wirklich ernst genommen zu werden von potenziellen Partnern. Im gleichen Jahr gewannen wir den Berner Businessplan-Wettbewerb – eine erste Bestätigung für unsere Arbeit.
Der ursprüngliche Plan sah vor, 2014 erste Crevetten auf den Markt zu bringen. Nun reden Sie von Ende 2017. Warum dauerte alles so viel länger?
Möchten Sie die 67 Versionen unseres Businessplans sehen? Kurz zusammengefasst lautet die Antwort: Weil wir schlicht keine Ahnung hatten zu Beginn. Unsere Marktforschung war naiv und oberflächlich, unsere Produktions- und Betriebsideen waren weltfremd. Wir sind viel gereist, nach Holland und Deutschland, zu Wissenschaftlern, Branchenkennern und Technologieanbietern. Zudem braucht der Aufbau eines Netzwerks viel Zeit, wenn man ein neues Produkt lancieren will. Wir mussten uns mit zwölf Behörden an den Tisch setzen, auch das geht nicht von heute auf morgen.
Wie viel haben Sie ins Projekt investiert?
Wir brauchten für die Erarbeitung eines wasserdichten Businessplans und den Bau der Testanlage rund 250’000 Franken. Die Hälfte stammt von uns, die andere Hälfte von privaten Investoren. Dazu kommen rund 6000 Arbeitsstunden, die wir geleistet haben, ohne uns einen Franken Lohn zu zahlen. Das war übrigens einer der heiklen Punkte in der noch jungen Firmengeschichte. Man startet als Freunde, wird zu Projektpartnern und stellt irgendwann fest, dass sich nicht alle Gründer gleich stark engagieren, weil der eine längere Ferien, der andere eine Ausbildung machen will, der dritte eine Familie gründet etc. Früher oder später gehts dann ums Geld, und es lohnt sich, das möglichst bald anzusprechen. Wir haben uns für 48 Stunden auf eine Alphütte im Eriz zurückgezogen und dort ausgehandelt, wer welche Anteile am Unternehmen erhält – proportional zum Arbeitseinsatz. Zusätzlich haben wir einen Aktionärsbindungsvertrag unterzeichnet, damit niemand verkaufen und aussteigen kann.
Haben Sie in den fünf Jahren nie ans Aufgeben gedacht?
Nein, das stand nie zur Debatte. Man steigt nicht mitten in einem Hürdenlauf aus. Manche Hürden kamen unerwartet, andere waren höher als gedacht, aber es war nie so, dass wir vor einer unüberwindbaren Wand gestanden wären. Viele Start-ups scheitern daran, dass sie zu optimistisch kalkulieren und die Finanzen nicht im Griff haben. Wir haben vor zwei Jahren einen Finanzprofi ins Boot geholt, der uns die Träumereien ausgetrieben und uns in Richtung Realität desillusioniert hat. Natürlich müssen in dieser Startphase alle Opfer bringen. Wir zahlen nicht nur uns keinen Lohn, sondern auch der Verwaltungsrat arbeitet gratis.
Wie finanzieren Sie Ihren Lebensunterhalt?
Ich hatte immer andere Jobs neben der Arbeit für Swiss Shrimp. Ich bin Sekundarlehrer und kenne viele Schulleiter – da fand ich immer wieder Stellvertretungen. Derzeit arbeite ich in einem 40-Prozent-Pensum als Projektleiter bei einem Energiedienstleister und bin Geschäftsführer des Vereins Authentica Schweiz, den ich mitbegründet habe. Mir fällt es nicht schwer, auf Sparflamme zu leben. Ich wohne mit meiner Freundin in einer 2-Zimmer-Wohnung, die uns 1000 Franken im Monat kostet. Meine Freundin unterstützt mich, im kleinen Ausmass, finanziell, aber viel wichtiger ist das Ideelle. Sie bestärkt mich, diesen Weg weiterzugehen – ohne die Erwartung, dass wir damit einmal reich werden. Und sie bringt mich mit sanftem Druck dazu, zwischendurch abzuschalten und mal einen Tag in der Natur zu verbringen statt zu arbeiten. Abschalten will gelernt sein. Ich besitze keinen Laptop und habe statt früher acht heute nur noch drei Mailpostfächer auf dem Handy.
Sind Sie der Typ Unternehmer, der es nicht aushält in einer Firma, die er nicht selbst gegründet hat?
Nein, überhaupt nicht, ich kann mich gut unterordnen und die Spielregeln befolgen, die andere vorgeben. Ich habe dank meiner unternehmerischen Erfahrung sogar grössten Respekt davor, was es bedeutet, erfolgreich eine Firma zu führen. Deshalb bin ich jeden Monat extrem dankbar, wenn ich pünktlich meine 2100 Franken Lohn erhalte im Teilzeitjob. Und ich schimpfe nicht so schnell über unfähige Chefs wie andere. Ich kann mir auch durchaus vorstellen, eines Tages wieder Vollzeit als Angestellter zu arbeiten. Aber ein Unternehmen aufzubauen, ist ein packendes Abenteuer und die beste Ausbildung überhaupt. Derzeit treffe ich jede Woche einen anderen Firmenchef, weil wir einen Standortpartner für unsere Produktion suchen. Parallel dazu suchen wir einen Anlagebauer – auch da muss man in kurzer Zeit viel lernen, weil dir jeder Anbieter das Paradies auf Erden verspricht. Und schliesslich wollen die drei bis vier Millionen Franken gefunden werden, die wir brauchen, um im grossen Stil produzieren zu können.
Wie gross sind die Chancen, dass das alles klappt?
Ich würde sagen: ziemlich nahe bei 100 Prozent. Es gibt zwar keine Sicherheit im Unternehmertum, aber ich bin felsenfest davon überzeugt, dass das klappt. Bei der Evaluation des Standorts sind wir weit fortgeschritten. Wir können aus 10 interessierten Industriepartnern den besten auswählen, nun sind noch zwei in der Endauswahl. Im Kern geht es darum, dass wir die Abwärme eines Industriebetriebs nutzen können, um unser Wasser auf 30 Grad zu erwärmen. Auch bei den Anlagebauern können wir aus drei Anbietern den für uns am besten geeigneten auswählen. Das Ziel ist, im Sommer mit dem Bau der Anlage zu beginnen und gegen Ende 2017 erstmals im grossen Stil zu ernten. Die Crevetten aus der Pilotphase können wir schon diesen Sommer degustieren. Allmählich werden die Dinge greifbar. Wir sehen die Tiere im Wasser und schauen sie regelmässig unter dem Mikroskop an.
Welchen Marktanteil streben Sie an?
Das Marktpotenzial hochwertiger frischer Shrimps aus der Schweiz liegt nach unseren Berechnungen bei rund 400 Tonnen. Wir wollen anfänglich rund 30 Tonnen pro Jahr produzieren und dann modular ausbauen bis auf 100 Tonnen.
Sie importieren die Larven aus den USA – das ist aus ökologischer Sicht keine Ideallösung.
Ideal wäre, wenn die Tiere in einem 30 Grad warmen Salzwasserfluss wachsen könnten, aber einen solchen haben wir in der Schweiz nicht gefunden. Es bleibt aber auch so sinnvoll. Ich will nicht zu sehr in die Details gehen, aber die Zuchtbedingungen in Übersee sind teilweise schlimm. Was die Larven betrifft, prüfen wir auch Alternativen in Deutschland. Wir haben uns für den Start schlicht für den stabilsten Anbieter entschieden. Auch das ist wichtig im Start-up-Leben: jene Bereiche identifizieren, in denen keine Kompromisse erlaubt sind, und in allen anderen Fällen nicht zu viel Zeit verlieren mit Perfektionsstreben.
Kontakt und Information:
rafael.waber@swissshrimp.ch oder www.swissshrimp.ch
Nichts gegen ein gesundes Unternehmertum. Aber Shrimps muessen in der Schweiz wirklich nicht gezuechtet werden. Ohne Einsatz von tonnenweise Chemikalien und Medikamenten ist eine solche Zucht unmoeglich. Zuchtcrevetten gehoeren zu den am meisten belasteten Lebensmitteln und sind im eigentlichen Sinne gesundheitsschaedlich. Leider gibt es wohl genug ignorante Schweizer die sich auf solche Produkte stuerzen werden, weil Shrimps sind ja so enorm wichtig auf unserer Speisekarte.
@ Neidhart:
das glaube ich eben nicht; Zitat:
Die Geschichte von Swiss Shrimp begann damit, dass Thomas Tschirren, ein passionierter Taucher, während seines Urlaubs in Thailand sah, unter welch prekären Bedingungen dort Shrimps produziert wurden.
Dann machen sie es genau so in dee Schweiz? Kaum!
Das gute an Zuchttieren ist, dass sie nicht der Natur enzogen werden, also ein Abfischen wie beim Fisch und eine weitere Zerstörung der Meeresfaune durch Beifang und Schleppnetze unterbleibt. Was aber viele, oft auch Vegetarier, übersehen: nur weil Fische und Schrimps keine “herzigen” Tiere sind und sich ein allfälliges Leiden bei der Aufzucht und beim Schlachten nicht durch Schreie äussert, bedeutet das noch lange nicht, dass sie nicht Lebewesen sind, welche Sorgfalt und Anstand im Umgang verlangen. Sagen wir so: Sie können nicht gut Mitleid mit Labormäusen haben und dann einen Crevettencocktail verspeisen.
Och finde die Idee schlicht super und das Durchhaltevermögen toll und inspirierend! Ausserdem denke ich diencrevetten werden weniger belastetbsein mit Schadstoffen als viele die wir sonstbessen.
@Neidhardt: Bitte schauen Sie doch erst mal auf http://www.swissshrimp.ch vorbei. Dort wird auf der ersten Seite das Thema Antibiotika angesprochen. Falls Sie noch Fragen haben, stehen Ihnen die Partner jederzeit gerne zur Verüfung.
Beneidenswert wie man so viel Herzblut in ein ökologisch sehr zweifelhaftes Projekt investieren kann. Von der Ernährung der Crevetten ist nichts zu erfahren. Es würde mich nicht wundern, wenn dazu auf den Abfall der hiesigen Tierausbeuter-Industrie aka Nutztier-Landwirtschaft zurückgegriffen würde, was dieses Projekt vollends ad absurdum führen würde.
Chapeau vor so viel Idealismus und Einsatz für eine Idee! Aber für eine Sache, die ev. wirklich nicht so nötig ist. Herr und Frau Schweizer essen einfach zu viel tierische Produkte – inklusive Crevetten aus Übersee. Für vertretbar seltenen Crevetten-Genuss würden sich allerdings auch Bio-Crevetten aus vietnamesischer oder ecuadorianischer, ökologischer Zucht anbieten – die wohl auch preislich konkurrenzstärker sind gegenüber den vermutlich teureren Schweizer Hightech-Crevetten.
Aber sigswiswell: Lieber die Teiche voller Schweizer Crevetten, als die Strassen voller Harry Hasler-Corvetten;-)
Nur dass der Mann mit der Arbeit kein Geld verdient, heisst nicht, dass er “ehrenamtlich” arbeitet.
Shrimps haben allem Anschein nach Empfindungsfähigkeit und können leiden. Er bereitet also ein unnötiges Massaker vor.
Ich finde die Idee prima, die sowieso entstehende Abwärme von Industriebetrieben zu nutzen, um damit bio-zertifizierte Shrimps ohne Antibiotikaeinsatz zu züchten – hoffentlich gelingt es!
Eine Frage an die Gründer: Wie viel wird mich als Konsument 1 kg dieser Shrimps kosten? Dank dem Wegfall des Transports, des Schälens, Gefrierens, usw. sollten sie vermutlich günstiger sein als Bio-Shrimps aus Thailand?
Es ist heutzutage schlicht unmoralisch Tiere zu züchten. In 2 Generationen wird man kopfschüttelnd zurückschauen.
copy paste!
gibt ein sehr erfolgreiches unternehmen in rotterdam, NL die damit erfolgreich wurden… 😉